Isabel Mundry

Isabel Mundrys Werke zeichnen sich durch eine differenzierte Klangsprache aus, in die das Nachdenken über die Bezüge zwischen Zeit, Raum und Wahrnehmung auf vielfältige Weise einfließt. Dabei öffnet sie sich in ihrem Schaffen stets neuen Wegen und unterschiedlichsten Realitätsbezügen, die sie mit ihrer in Timbre, Harmonik und Rhythmik nuancierten Musik erforscht.

Ihr kompositorisches Handwerk erlernte die 1963 in Hessen geborene und in Berlin aufgewachsene Komponistin in Berlin und Frankfurt unter anderem bei Frank Michael Beyer, Gösta Neuwirth und Hans Zender, ergänzt um Studien in Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie und um einen Kurs für Informatik und Komposition am Pariser IRCAM. Nachdem sie in den 1990er-Jahren mit Kammermusik sowie mit Ensemble- und Orchesterwerken auf sich aufmerksam gemacht hatte, geriet ihr erstes Musiktheaterwerk 2005 zu einem großen Erfolg: In „Ein Atemzug – die Odyssee“, an der Deutschen Oper Berlin in der Inszenierung von Reinhild Hoffmann und unter dem Dirigat von Peter Rundel uraufgeführt und vom Magazin „Opernwelt“ als Uraufführung des Jahres ausgezeichnet, beschäftigt sich die Komponistin mit Schichten des Erinnerns und Vergessens. Das Interesse an Verflechtungen von musikalischer Struktur und ihrer räumlichen Präsentation setzt sich auch in „Nicht Ich – über das Marionettentheater“ fort, ein mit dem Tänzer und Choreographen Jörg Weinöhl konzipiertes szenisches Konzert, das mit dem Ensemble Recherche und dem Vokalensemble Zürich beim Kleistfestival in Thun 2011 zur Uraufführung kam und anschließend in Zürich, Basel, Lyon, Düsseldorf und Salzburg gezeigt wurde.

Zu Isabel Mundrys zahlreichen Konzerten für Soloinstrumente und Orchester gehört das 2006 vom Chicago Symphony Orchestra unter Daniel Barenboim uraufgeführte Nocturno, das in der Folge auch von den Staatskapellen Berlin und Dresden, dem RSO Wien und den Hamburger Philharmonikern interpretiert wurde. Ihr Klavierkonzert „Ich und Du“, uraufgeführt bei den Donaueschinger Musiktagen 2008 mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter Pierre Boulez, erweiterte sie zu „Non-Places“, ein Klavierkonzert. Das Werk wurde im Rahmen der Verleihung des Happy New Ears Preises 2013 an Isabel Mundry mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Emilio Pomàrico und Nicolas Hodges am Klavier uraufgeführt und anschließend mit dem Deutschen Musikautorenpreis der GEMA ausgezeichnet.

Unter den Uraufführungen der letzten Jahre finden sich Werke verschiedenster Gattungen mit diversen Inspirationsquellen: In „Vogelperspektiven“ für Ensemble (Uraufführung 2016, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks) vollzieht sie, angeregt durch Gedichte Thomas Klings, Perspektivwechsel zwischen Mensch- und Tierwelt. „Zu Fall“, uraufgeführt vom Tonhalle Orchester Zürich 2016, geht dem Verhältnis von Aktivität und Passivität nach und installiert dafür als Schattenspiel auf der Bühne ein chaotisch schwingendes Pendel, das passagenweise den Dirigenten dirigiert. In „Sounds, Archeologies“, 2018 beim Berliner Ultraschall Festival vom Trio Catch uraufgeführt, hinterfragt sie die Nähe beziehungsweise Ferne historischer Objekte und kultureller Identitäten. Und das 2018 in Donaueschingen vom SWR Vokalensemble uraufgeführte a cappella-Chorstück „Mouhanad“ untersucht, basierend auf einem Interview mit einem geflüchteten Syrer, kulturelle Resonanzen und neue akustische Nachbarschaften. 

2020 kam „Noli me tangere“ für Schlagzeug solo und Ensemble gleichzeitig im Abschlusskonzert des Festival Présences mit dem Ensemble intercontemporain sowie in Köln mit dem Ensemble Musikfabrik zur Uraufführung. Weitere Aufführungen folgten in Zürich und Lausanne durch das Collegium Novum; in der laufenden Saison ist das Werk mit dem Ensemble Arc-en-ciel unter Jonathan Stockhammer an der Zürcher Hochschule der Künste zu erleben. 2022 war Isabel Mundry Artiste étoile des Mozartfests Würzburg, in dessen Rahmen „Signaturen“ für zwei Klaviere, Schlagzeug und Streicher vom GrauSchumacher Piano Duo und dem Ensemble Resonanz aus der Taufe gehoben wurde. Die österreichische Erstaufführung des Werkes fand im November 2022 beim Festival Wien Modern statt; eine weitere Aufführung folgte im Februar 2023 an der Elbphilharmonie.

Zuvor startete Isabel Mundry in die laufende Saison als Theme Composer des Suntory Hall Summer Festival, wo Nils Mönkemeyer und das Tokyo Symphony Orchestra unter Michael Wendeberg ihr Violakonzert Gesture zur Uraufführung brachten. Im Mai widmet das KAPmodern Ensemble Isabel Mundry ein Porträtkonzert im Nikolaisaal Potsdam, ehe sie im Juni nach Paris aufbricht, wo sie beim Prix Élan als Gastjurorin und Mentorin eingeladen ist. Durchgeführt wird der Orchesterkompositions-Wettbewerb des IRCAM als Teil des Festivals ManiFeste am Centre Pompidou mit dem Orchestre national d’Île-de-France.

Zu den zahlreichen Preisen, mit denen Isabel Mundrys Schaffen gewürdigt wurde, gehören der Kranichsteiner Musikpreis 1996, der Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung 2001 und der Heidelberger Künstlerinnenpreis 2011. 2007/08 war sie erste Capell-Compositrice der Staatskapelle Dresden. Sie ist Mitglied der Akademien der Künste von Berlin und München sowie der Akademie für Wissenschaft und Literatur Mainz. Seit 1998 war sie vielfach als Dozentin bei den Darmstädter Ferienkursen zu Gast. Nachdem sie ab 1996 eine Professur an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt innehatte, ist sie seit 2004 Professorin für Komposition an der Zürcher Hochschule der Künste und seit 2011 zudem an der Hochschule für Musik und Theater München.

Stand: April 2024

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