Ziel der Programmreihe war es darüber hinaus, den Begriff „Immersion“ als eine Leitvokabel für ein anderes Weltverhältnis zu begreifen und zu etablieren – er stand für ein neues Genre und zugleich für ein altes Prinzip der Verbundenheit.
Ausgangspunkt waren neue Werkformen im Theater und der bildenden Kunst, die das Format der Aufführung und Ausstellung verändert haben und neue Herausforderungen für die Kulturbetriebe mit sich bringen. Die Programmreihe verstand Immersion zum einen als wirkungsästhetischen Begriff, der Erfahrungen von Kunst beschreibt, die „unter die Haut gehen“, jener Moment, da man das Medium vergisst, gerührt und ergriffen ist und im Innenraum der Arbeit selbst lebt – mit den Figuren lacht und weint, das Buch in der Hand oder die Leinwand vor Augen nicht mehr wahrnimmt. Und zum anderen als einen sich im digitalen Zeitalter herausbildenden Genrebegriff, der analoge wie digitale Werkformen umfasst, die grenzauflösend wirken und ihre Rahmung verbergen, in denen sich das Publikum „mittendrin“ befindet. In diesen Werkformen tritt an die Stelle der klassischen Handlung die Erfahrung einer partizipativen Situation, die das Publikum wahrnimmt und einbezieht. Immersive Formate bauen eigene Welten, in denen die Beziehung zwischen Werk und Publikum neu konzipiert wird und auf Feedback beruht. Diese Arbeitsweise, die symbiotische Systeme unterschiedlicher Akteur*innen herstellt, die soziale Akteur*innen sein können, aber auch Maschinen, andere Spezies und Pflanzen, nannten wir Worldbuilding. Im Zentrum stand dabei stets die Arbeit am Format – wir produzierten neue Formen von Symposien, Aufführungen und Ausstellungen, die allesamt die Struktur von Gesamtkunstwerken hatten, also mehrere Künste und Medien, Akteur*innen und Infrastrukturen vereinten.
Der Schwerpunkt der ersten Programmphase widmete sich Künstler*innen, deren Arbeit sich durch eine Verräumlichung der zeitbasierten Kunst des Theaters auszeichnet (z.B. „Nationaltheater Reinickendorf“ von Vegard Vinge und Ida Müller oder „RHIZOMAT“ von Mona el Gammal), sowie VR-Filmen („ RHIZOMAT VR“ oder „ Mutter und Sohn = Realität trifft Kunst (Z.U.K.U.N.F.T. der Unendlichkeit)“ von Jonathan Meese und seiner Mutter Brigitte Meese). Im Zentrum der zweiten Programmphase stand die Produktion von Ausstellungskonzepten, die von der Verzeitlichung des ansonsten eher raumbasierten Ausstellungsformats geprägt waren („Philippe Parreno“, Ed Atkins: „Old Food“, Omer Fast: „Reden ist nicht immer die Lösung“ oder „Welt ohne Außen“). Dieser Logik folgte auch unser Interesse an Fulldome-Arbeiten, die Planetarien als Galerien der Zukunft bespielen, in denen der Bildeindruck das gesamte Sehfeld ausfüllt und das „Eintauchen“ in die ästhetische Welt, anders als in VR-Produktionen, eine kollektive Erfahrung ist („The New Infinity“). Diese Arbeiten führten uns zu hybriden, zwischen Festival und Camp angesiedelten Veranstaltungskonzepten, die anhand von parallellaufenden Module künstlerische wie soziale Räume schaffen, die mit der Verbindung von ästhetischen und politischen Prozessen neue Erfahrungswelten kreieren („Down to Earth“ oder „The Sun Machine Is Coming Down“). Wesentlich für unsere Reihe war, dass wir den Begriff Immersion stets in einem breiteren Sinne aufgefasst und als Perspektive auf Themenfelder und Entwicklungen angewendet haben, die nicht nur im Bereich der neuen Medien oder zeitgenössischen Kunst angesiedelt sind, sondern auch in der Wissenschaft, Politik oder Ökologie. So untersuchte die Programmreihe u.a. ganzheitliche Konzepte des Wissens („Limits of Knowing“), die grenzauflösende Erfahrung der deutschen Wiedereinigung („Palast der Republik“) oder den Klimawandel, denn das Klima erschien uns als das größte immersive System schlechthin, dem niemand einfach nur gegenüberstehen kann („Down to Earth“). 2021 führte der Begriff zu einem immersiven Schaufenster der Programmreihe im Rahmen von „The Sun Machine Is Coming Down“ sowie zu Tomás Saracenos Webportal „Nggàm dù“ für die Spinnenwahrsager*innen aus Somié im Kamerun.