Inszenierung

Werther in LOVE

nach Johann Wolfgang von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“

Otto-Schott-Gymnasium, Mainz

Sieben Personen in weißer Kleidung mit angeklebtem Schnurrbart singen inbrünstig auf der Bühne. Sie halten gemeinsam ein rotes aufblasbares Plastikherz vor sich.

Werther in LOVE © Petra Senger

„Ich wünsche mir Liebe ohne Leiden!“
Lotte bringt Werthers Gefühlswelt ins Wanken. Er sieht in ihr seine Seelenverwandte, aber sie ist mit Albert zusammen. In dieser modernen Adaption ist Goethes Werther Influencer, der nicht nur seinem Freund Wilhelm über seine Liebe zu Lotte per WhatsApp berichtet, sondern auch seine Follower*innen auf Instagram über seinen Herzschmerz auf dem Laufenden hält. Die Darsteller*innen nähern sich anhand der Figur Werther den Fragen: Was ist Liebe? Kann man sich selbst in der Liebe verlieren? Und ist Liebe wirklich ewig?

Verfügbar bis 28.5.2025 als Videoon Demand in der Mediathek.

Die Theater-AG der Oberstufe des Otto-Schott-Gymnasiums setzt sich für jede Produktion aufs Neue aus Jugendlichen der Jahrgangsstufen 9 bis 12 zusammen. Ausgehend von den Themen ‚Liebe‘ und Selbstmord‘ entschied das aktuelle Ensemble zu Beginn des Inszenierungsprozesses, sich mit dem Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe zu beschäftigen und gemeinsam eine eigene Adaption zu entwickeln. Über die Auseinandersetzung mit den Themen befassten sich die Mitglieder des Ensembles mit ihren eigenen Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft.

In welcher Form würde Werther sein ganzes Liebesleid heute klagen? So entstand die Idee, die Figur des Werther als Influencer anzulegen. Werther ist – wie auch wir heute noch – gefangen in seiner Vorstellung von romantischer Liebe. Auch heute klingt Liebe noch nach einem Liebeslied, riecht nach Zimtschnecken und schmeckt nach Spaghettieis, aber manchmal kann sie eben auch ganz schön schmerzhaft sein.

Die partizipative Inszenierung startet auf Instagram im digitalen Raum mit Werthers Umzug nach Wahlheim sechs Wochen vor dem Beginn des Stückes und steigt mit dem Kennenlernen Lottes im analogen Raum auf der Bühne ein.

Jurykommentar von Andreas Kroder

Das Ensemble von „Werther in LOVE“ beschreibt seine Produktion als eine Auseinandersetzung mit den Themen Liebe und Selbstmord. „Ich hasse Werther und diesen Wolfgang und deswegen wollte ich unbedingt mitspielen“ – so oder ähnlich äußerten sich die Spielenden im Nachgespräch. Warum also das Stück anschauen?!

Goethe, Werther, Schullektüre – was geht uns das heute an? 
Kaum jemand kann sich noch vorstellen, was für ein Hammer dieses Buch war, als es 1774 erschienen ist. Goethe hat es als 24-Jähriger geschrieben und eine Weltsensation hingelegt. Aber nein, es muss niemand das Buch gelesen haben. Uns als Publikum wird das Leiden leicht gemacht. Das Ensemble erzählt die Vorgeschichte als Videoblog über ihren Instagram-Account @wertherinlove und endet direkt dort, wo die Inszenierung beginnt: Sieben Spielende mit Emo-Perücke und Wolfgang Petry-Schnauzer sitzen beim Einlass verteilt auf der Bühne, erwachen bei der einsetzenden Musik und erblicken bei einem Tanzfest diese perfekte Lotte. Alle auf der Bühne sind Werther, sehen nur noch Lotte und das Leiden beginnt. Und woran leiden sie? Die vorschnelle Antwort: an Liebeskummer.

Wird dieser arme Kerl nicht in den Liebeswahnsinn und schließlich – Achtung Spoiler – in den Suizid getrieben? Von einer liederlichen Lotte, die mit seinen Gefühlen spielt?
Das Ensemble macht hier eine interessante alternative Interpretation auf und diese fällt etwas abgründiger aus, als das tragische Lied vom liebeskummerkranken Werther. Im romantischen Sturm und Drang sehen sie ein ziemlich unangenehmes Bedrängen, um nicht zu sagen: Stalking. Werther, der Creep…

Das Stück verlegt die Handlung in eine Jetztzeit, in der es nicht mehr reicht, mit schwülstigen Worten Frühlingsgefühle zu vermitteln. Hier zählen Instagram und Video-Blogging und Selbstdarstellung in Social Media hat mehr wert als echte persönliche Auseinandersetzung.

Das Ensemble ist ständig präsent, Originaltexte werden durch viele eigene Texte ergänzt und in die Rolle integriert. Hier hat sich eine Gruppe gefunden, die auch die „perfekte Liebe“ auf der Bühne sucht und zwischen Hingabe, Sehnsucht und Verachtung wechselt. Die jungen Spielenden schaffen es, auf der Bühne eine Art Feel-Good-Drama zu schaffen. Durch ihre unverfälschte und unkonventionelle Art gewähren sie dabei einen tiefen Einblick in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Es macht Spaß zuzuschauen und wir bekommen nebenbei eine Ahnung davon, wie schwierig es auch heutzutage ist, die „perfekte Liebe“ zu finden. Immer wieder tritt die Gruppe aus ihrer Rolle und spricht darüber, wie sehr dieser Werther nervt. Das hat etwas Befreiendes, aber dann werden wir wieder in Werthers Gefühlswelt gerissen und der Typ leidet weiter. Klar, ich habe es verstanden, aber das Ensemble will es so, weil wohl „ein Lieben ohne Leiden“ nicht möglich ist.

Von und mit

Maya Arnold, Kalina Biyukova, Rieke Leu, Pia Nußbaumer, Dilem Osman, Dana Schneider, Lilly Thamerus, Matilda Willigalla, Liam Williams

Betty HahnSpielleitung
Elias Sänger  – Licht und Ton