
Marc Blitzstein (1905–1964) war ein zentraler musikalischer Exponent der kommunistisch beeinflussten US-amerikanischen Arbeiterbewegung, deren Bedeutung heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, und stellt damit ein Pendant zu Kurt Weill und zu Hanns Eisler dar. Mit beiden Komponisten teilte Blitzstein neben der politischen Überzeugung die Neigung zu Groteske und Parodie und die Fähigkeit, Gebrauchsmusik überzeugend zu einem Vehikel des politischen Kampfes umzuformen. Im Zentrum seines Schaffens stehen experimentierfreudige Formen eines im äußeren Aufwand reduzierten Musiktheaters, in denen auch der schlichte Spaß am subversiven Jux eine gewisse Rolle spielt. Daneben gehörte er mit Vorträgen und Texten zu den prominenten kritischen Stimmen des amerikanischen Musiklebens.
Blitzstein stammte aus einer wohlhabenden Bankiersfamilie in Philadelphia. Sein Talent konnte sich unter besten Bedingungen entfalten. Nach privatem Klavierunterricht bei Alexander Siloti studierte er von 1924 bis 1926 am Curtis Institute Klavier und Komposition und profilierte sich mit Aufführungen mit dem Philadelphia Orchestra als Pianist. Auf einer anschließenden zweijährigen Studienreise konnte Blitzstein sowohl in Berlin bei Arnold Schönberg als auch bei Nadia Boulanger in Paris studieren. Seine Werke aus dieser Zeit, wie etwa die ikonoklastische Klaviersonate, orientieren sich an der damaligen Avantgarde.
In den folgenden Jahren pendelte Blitzstein zwischen Europa und den USA und war als Musikschriftsteller, Kritiker und Pianist tätig. Ähnlich wie gleichzeitig Aaron Copland entwickelte er zusehends Zweifel an der Richtung, die die neue Musik eingeschlagen hatte. Eine Alternative sah er in dem von Bertolt Brecht und Hanns Eisler verfolgten Ansatz eines politisch engagierten Musiktheaters. Mit beiden kam er in New York in Kontakt und nahm diesen Faden nun auch als Komponist auf.
Sein erstes direkt von Brecht angeregtes Werk, „The Cradle Will Rock“, führte zu einem Skandal. Die Behörden ließen buchstäblich bis zum letzten Augenblick nichts unversucht, die von Blitzstein gemeinsam mit Orson Welles vorbereitete Premiere des politisch unliebsamen Stücks zu hintertreiben, die am 12. Juni 1937 in einer extrem reduzierten Form – Blitzstein verkörperte alle Personen und begleitete sich selbst am Klavier – dann aber doch über die Bühne ging. Trotz dieser abenteuerlichen Bedingungen war das Publikum begeistert und Blitzstein wurde quasi über Nacht zu einer bekannten Persönlichkeit. Durch eine Aufführung des nun vielfach nachgespielten Stücks an der Harvard University lernte Blitzstein 1939 Leonard Bernstein kennen, mit dem sich eine enge Freundschaft entspann.
Auf dem künstlerischen Weg der politisch engagierten Musik konnte eine Reihe von Erfolgen verzeichnen, etwa mit der „Airborne Symphony“ aus dem Jahr 1946. Unter den veränderten politischen Bedingungen der Nachkriegszeit nahm das Interesse an Blitzsteins eigenen Werken aber ab. Dagegen wurde seine Adaption der „Dreigroschenoper“ von Brecht und Weill weithin populär. 1960 erhielt Blitzstein einen repräsentativen Auftrag der New Yorker Metropolitan Opera. Die Oper über die Hinrichtung der beiden Anarchisten Sacco und Vanzetti im Jahr 1927 war noch nicht beendet, als er 1964 auf der Karibik-Insel Martinique Opfer eines Totschlags wurde.
Stand: März 2025