
Pierre Boulez © Keystone Pictures
In diesem Jahr jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstag von Pierre Boulez (1925 – 2016), der als Komponist, Dirigent und Organisator des Musiklebens eine der zentralen Gestalten der Nachkriegszeit war. Boulez legte einen weiten Weg zurück und entwickelte sich vom angriffslustigen, um keine Provokation verlegenen jungen Komponisten zur allseits hoch geachteten Künstlerpersönlichkeit. Eine Konstante in Boulez’ imponierendem kompositorischen Schaffen bildet der stete Wandel. Immer wieder wendet sich Boulez schon abgeschlossenen Kompositionen zu, überarbeitet sie und erstellt neue Versionen, die oftmals nicht nur den Charakter einer neuen Fassung, sondern eines neuen Werkes haben. Vor allem aber charakterisiert steter Wandel die Musik selbst. Gleich aus welcher Zeit sie stammt und mit welchen Mitteln sie verwirklicht wird, ist seine Musik in ständiger innerer Bewegung, Entwicklung und Veränderung begriffen.
Geboren in der Kleinstadt Montbrison in der Nähe Lyons wechselte Boulez nach einem kurzen Studium der Mathematik zur Musik, was zunächst zu einem Konflikt mit seinem Vater führte. Wichtige frühe Einflüsse kamen von Olivier Messiaen und von René Leibowitz, der ihn mit der Zwölftontechnik und der Musik Arnold Schönbergs und Anton Weberns bekannt machte. Schon 1946 aber brach Boulez mit Leibowitz nach einer Auseinandersetzung über seine 1. Klaviersonate. In diesen formativen Jahren begeisterte sich Boulez zudem für die Literatur und die Lyrik der französischen Moderne, was sich in seinem Schaffen stark niederschlug. 1952 nahm er zum ersten Mal an den Darmstädter Ferienkursen teil, wo er sich mit der Klarheit seines Denkens und der Fähigkeit zu rhetorischer Zuspitzung rasch neben Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono als Wortführer der Avantgarde profilierte. Spätestens seit der Uraufführung der Kammerkantate „Le Marteau sans maître“ im Jahr 1955 galt Boulez als einer der führenden Komponisten der Gegenwart.
Boulez war immer auch als praktischer Musiker tätig, angefangen von der musikalischen Leitung der Theatergruppe von Jean-Louis Barrault, die er direkt nach dem Studium übernahm. Ab Ende der 1960er-Jahre widmete sich Boulez dann zunehmend einer international bedeutsamen Dirigentenkarriere, wohingegen das eigene Komponieren eher in den Hintergrund rückte. Mit der Gründung des Ensemble Intercontemporain und des Studios für elektronische Musik IRCAM in Paris gelang es ihm 1975 und 1977 zudem, wegweisende Institutionen ins Leben zu rufen. In den 1980er-Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt seiner Aktivitäten deutlich auf seine Dirigate, die in außergewöhnlichem Umfang auf Tonträgern festgehalten sind. Auf der Grundlage der Forschungen am IRCAM entstanden seit den frühen 1980er-Jahren daneben maßgebliche Solo- und Ensemblewerke mit Live-Elektronik wie „Répons“ und „Dialogue de l’ombre double“. Pierre Boulez starb im Januar 2016 in Baden-Baden, das er seit 1958 als Wohnsitz gewählt hatte.
Stand: Februar 2025