Karl Amadeus Hartmann

Die tiefsten Einschnitte im Schaffensweg von Karl Amadeus Hartmann (1905-1963) wurden von der Zeitgeschichte diktiert. Nach kompositorischen Anfängen im Zeichen der allgemeinen künstlerischen Tendenzen der 1920er Jahre änderte sich sein Komponieren 1933 von Grund auf. Auf die Geschehnisse während der nationalsozialistischen Herrschaft reagierte Hartmann mit einer bekenntnishaften Musik von packender Eindringlichkeit. Bis 1945 von allen künstlerischen Wirkungsmöglichkeiten weitgehend abgeschnitten komponierte er mehr oder weniger für die Schublade. Nach dem Krieg ändert sich seine Stellung im Musikleben noch einmal. Hartmann übernahm nun wichtige kulturpolitische Aufgaben, revidierte seine älteren Kompositionen und konnte sich nun endlich die gebührende öffentliche Anerkennung verschaffen.

Karl Amadeus Hartmann wurde am 2. August 1905 in München geboren, wo er von 1924 bis 1929 auch Komposition studierte. In seinen ersten Werken nach der Studienzeit folgte er den großen Zeitströmungen des Neoklassizismus und der Neuen Sachlichkeit. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten nahm Hartmann, der politisch zeitlebens mit der Linken sympathisierte, ohne je einer Partei beigetreten zu sein, sofort als eine Gefährdung seiner Existenz wahr. Wegen seiner starken persönlichen Bindungen blieb Hartmann dennoch in Deutschland und reagierte mit einer Haltung der „inneren Emigration“, wie er selbst es formulierte.

Zum Grundcharakter seiner Musik nach 1933 wurde der Gestus der Klage in einem doppelten Sinne, nämlich zum einen als untröstliche Trauer, zum anderen als Anklage und wütender, verzweifelter Protest. Diesen Gestus ließ Hartmann vor allem in groß dimensionierten Orchesterwerken erschütternd Gestalt werden. Dabei orientierte er sich stilistisch nun stärker am Expressionismus der Schönbergschule. Häufig arbeitete er mit vertrauten musikalischen Formen wie Choral oder Marsch, die traditionell mit bestimmten Bedeutungsgehalten verbunden sind.

An Aufführungen seiner Kompositionen im nationalsozialistischen Deutschland war nicht zu denken. Hartmann musste sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen und war auf familiäre Unterstützung angewiesen. Immerhin fand er außerhalb Deutschlands im Verlauf der 1930er Jahre einige Beachtung als Komponist. Nach 1940 brach aber auch die Reihe vereinzelter Aufführungen seiner Werke im Ausland vollständig ab. Die letzten Kriegsjahre lebte Hartmann weitgehend zurückgezogen und isoliert im Haus seiner Schwiegereltern. Im Winter 1942/43 kam es zu einem intensiven Gedankenaustausch mit Anton Webern, den Hartmann in seinem Haus in der Nähe Wiens besuchte. Trotz der widrigen Umstände komponierte Hartmann auch ohne jede Aussicht auf eine mögliche Aufführung stetig weiter.

Unmittelbar nach Kriegsende wurde Hartmann von den Alliierten mit verschiedenen kulturpolitischen und organisatorischen Aufgaben betraut. Bleibende Verdienste erwarb er sich vor allem mit der Gründung der bis heute bestehenden Konzertreihe musica viva in München. Ziel der musica viva war es damals, das Publikum mit der unter den Nazis geächteten Neuen Musik vertraut zu machen und junge Komponisten zu fördern. Die Reihe wurde zum Vorbild zahlreicher ähnlicher Einrichtungen und beeinflusste das Musikleben in der jungen Bundesrepublik nachhaltig.

In seinem Schaffen ging Hartmann nun daran, seine bisher entstandenen Kompositionen zu sichten und ihnen eine verbindliche Gestalt zu geben. Dabei wurden zahlreiche Stücke grundlegend bearbeitet. Einzelne Sätze oder Werke zog Hartmann ganz zurück, andere Sätze wurden in neue Werke übernommen, einzelne Passagen wurden gestrichen, ergänzt oder neu komponiert und zahlreiche Details überarbeitet. Auf der Grundlage älterer Stücke konnte Hartmann so in relativ rascher Folge Werk um Werk zur Uraufführung bringen und sich ab etwa 1950 als wichtiger Komponist seiner Generation im Konzertleben durchsetzen. Gleichzeitig arbeitete Hartmann aber auch an ganz neuen Stücken und so entstanden an der Wende der 1960er Jahre bedeutende Werke wie seine letzten beiden Symphonien, die „Symphonien Nr. 7 und Nr. 8“ und die „Gesangsszene“ zu Worten aus „Sodom und Gomorrha“ von Jean Giraudoux, in denen Hartmann seinen stilistischen Ansatz aus den 1930er Jahren produktiv weiterentwickelte. Karl Amadeus Hartmann starb am 5. Dezember 1963 in München.

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