
Innerhalb der zeitgenössischen Musik hat Hans Werner Henze (1926–2012) eine dezidiert individuelle Position. Während viele andere Komponisten möglichst rein und konsequent eine bestimmte musikalische Konzeption umsetzen wollen, geht es Henze vor allem darum, sich verständlich zu machen, einen aufgeschlossenen Hörer zu erreichen und zu bewegen, ohne dabei im künstlerischen Anspruch nachzulassen. Dieses Anliegen trifft sich glücklich mit Henzes großer literarischer Sensibilität und seinem Sinn für Dramatik, da die Verbindung mit Texten und Bühnenhandlungen die musikalische Verständlichkeit erleichtert. In seinem reichen Schaffen dominieren so Werke, die einen außermusikalischen Bezug haben, vom Musik- und Tanztheater bis zu literarisch inspirierten Instrumentalkompositionen.
Hans Werner Henze wurde 1926 in Gütersloh in eine musikliebende Familie hinein geboren. Nach dem Krieg eignete er sich die bisher unterdrückte Neue Musik an und profilierte sich bald als eigenständige Stimme einer jungen Komponistengeneration. 1952 lernte Henze die Dichterin Ingeborg Bachmann kennen, mit der sich eine lange und produktive Künstlerfreundschaft entspann. Mit ihr zusammen zog Henze 1953 nach Italien, das von da an seine Wahlheimat wurde. Gleichwohl blieb er im deutschen Musikleben präsent und feierte von den fünfziger Jahren an zunehmende Erfolge zumal als Opernkomponist, während gleichzeitig die Vertreter der Darmstädter Avantgarde um Karlheinz Stockhausen, mit denen sich Henze überworfen hatte, in der Musikpublizistik den Ton angaben.
In der Zeit der Studentenunruhen nahm Henze als mittlerweile international hoch angesehener Künstler offensiv Stellung auf der Seite der Linken und wandte sich in seinen Werken explizit politischen Themen zu. Seit Mitte der 1970er Jahre engagierte sich Henze stark für die Förderung des künstlerischen Nachwuchses, rief Musiktheaterfestivals wie die Münchener Biennale ins Leben und initiierte Projekte der musikalischen Laienarbeit. Bis ins hohe Alter ungebrochen produktiv schuf Henze noch mehrere Musiktheaterstücke und große symphonische Kompositionen. Er starb am 27. Oktober 2012 in Dresden.
Stand: Juni 2016