Ferruccio Busoni © Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv
Die Impulse, die von dem Komponisten, Schriftsteller und Pädagogen Ferruccio Dante Michelangelo Benvenuto Busoni (1866–1924) ausgingen, haben zweifellos die Kompositionsgeschichte, und in besonderem Maße die Musikästhetik des 20. Jahrhunderts geprägt. Als gefragter Klaviervirtuose, Komponist und Bearbeiter, Herausgeber und Dirigent zählt er zu den herausragenden Künstlerpersönlichkeiten seiner Epoche. Neben Komponisten wie Paul Hindemith, Arnold Schönberg, Béla Bartók, Igor Strawinsky gilt er als Wegbereiter der neuen Musik.
Durch die frühmusikalische Erziehung im Elternhaus gefördert, begann Busonis Karriere als Pianist bereits 1873. Der Weg führte ihn zunächst nach Wien, wo er mit einflussreichen Persönlichkeiten wie u.a. Anton Rubinstein, Franz Liszt, Eduard Hanslick, Baronin Sophie Todesco zusammentraf, die den außergewöhnlich begabten Jungen unterstützten und förderten.
Kompositionsstudien bei Wilhelm Mayer führten Busoni nach Graz und nach zahlreichen triumphalen Konzertreisen wurde er 1881 Mitglied der Reale Accademia Filarmonica Bologna. Es folgten Lehrtätigkeiten in Helsinki, Moskau und Boston. Im Jahr 1894 übersiedelte Busoni nach Berlin, wo er als Dirigent und Initiator zur Förderung des zeitgenössischen Musikschaffens („Berliner Konzertabende“ 1902–1909) beitrug. In Berlin blieb er bis zu seinem Tode 1924, abgesehen von einer fünfjährigen Züricher Episode während des Ersten Weltkrieges. 1920 folgte er dem Ruf an die Akademie der Künste zu Berlin und leitete hier die Meisterklasse in der Fachrichtung Komposition.
Während man dem Klaviervirtuosen Busoni eine internationale Anerkennung entgegenbrachte, blieb ihm diese jedoch als Komponist in weiten Teilen versagt. Besonders in seinen zahlreichen Bearbeitungen zeigt sich der Weg Busonis über die Aneignung und späteren kritischen Auseinandersetzungen mit dem traditionellen Erbe. Als Ergebnis von „langen und langsam gereiften Überzeugungen“ veröffentlichte er im Jahr 1907 seinen „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“, in dem er den Lösungsansatz entwickelte, dass die in einer von Konventionen befreiten Musik als Ausgangspunkt einer fortschreitenden Entwicklung zum „abstrakten Klang“ zu sehen sei. Damit begann seine Hinwendung zur Atonalität. Seine Experimentierfreude gipfelte schließlich in dem Konstruktionsplan zum Bau eines Drittelharmoniums sowie dem Vorschlag, die Drittel- und Sechsteltönen einzuführen, und scheiterte zugleich an der komplizierten Spieltechnik des Instrumentariums und einer nicht zu realisierenden Bauweise des Instruments.
Busonis Œuvre umfasst mehr als 300 Kompositionen, wobei die Klavierkompositionen und -bearbeitungen einen hohen Stellenwert dabei einnehmen. Sein herausragendstes und zugleich am häufigsten gespieltes Werk ist die „Fantasia contrappuntistica“ (1910), wovon mehrere Fassungen heute in der Staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt werden. Zwei seiner insgesamt vier Opern – „Die Brautwahl“ (1912) und „Doktor Faust“ (1924/25, vervollständigt von Philipp Jarnach) – erweckten in letzter Zeit besonderes Interesse durch Aufführungen an Opernhäusern wie u.a. in Salzburg, München und Berlin. Obwohl die Rezeption von Busonis Werken kontinuierlich zugenommen hat, steht die Erforschung seines Einflusses auf die neuere Musik- und Kompositionsgeschichte noch aus.
Stand: Juni 2017