Heiner Goebbels

Heiner Goebbels © Uros Hocevar

Heiner Goebbels

Komponist, Theatermacher, Regisseur, Festivalleiter und Professor.

Musiktheater – Performance – Installation – Konzert: Heiner Goebbels beschreibt seine Arbeit selbst als „zwischen Oper und Schauspiel angesiedelte Werke mit komponierter Sprache“. Dabei erweitert er die musikalische Komposition über das Klangliche hinaus in Richtung einer Theatralisierung der Musik. Als Komponist behandelt er alle an einer Inszenierung beteiligten Dimensionen wie Text und Körper, Licht, Bühne, Geräusche, Musik, den Raum und die Bewegung gleichberechtigt und bringt sie in ein schwebendes, gleichwertiges Verhältnis zueinander.

Heiner Goebbels, 1952 in Neustadt an der Weinstraße geboren, absolvierte in Freiburg und Frankfurt ein Soziologie- und Musikstudium. Von 1976 bis 1981 war er im Sogenannten Linksradikalen Blasorchester aktiv, das er im Umkreis der Frankfurter Sponti-Szene mitgründete. Mit dem Saxophonisten Alfred Harth bildete er das Duo Goebbels/Harth (1976 – 1988), ein aus dem Jazz agierendes Avantgarde-Duo, das Tonband-Loops, Feldaufnahmen und Objets Trouvés kombinierte. Mit Christoph Anders, Alfred Harth und Chris Cutler formte er die Art Rock Band Cassiber (1982 – 1992). Bereits während dieser Zeit schrieb er Theatermusiken (unter anderem für Hans Neuenfels, Claus Peymann, Matthias Langhoff und Ruth Berghaus), Filmmusiken (für Helke Sander, Gebrüder Dubini und viele andere) sowie Ballettmusiken.

Mitte der 80er Jahre begann er eigene Hörstücke, meist auf der Basis von Texten Heiner Müllers, zu komponieren und auch zu inszenieren („Verkommenes Ufer“, „Die Befreiung des Prometheus“, „Wolokolamsker Chaussee I-V“, „Schliemanns Radio“, „Der Horatier“). Es folgten Szenische Konzerte (wie z.B. „Der Mann im Fahrstuhl“) und Musiktheater-Stücke wie z.B. „Newtons Casino“ und „Römische Hunde“, die er 1990/91 gemeinsam mit Michael Simon am TAT in Frankfurt am Main realisierte. Seit 1988 komponiert er Musik für Ensembles und Orchester wie „Surrogate Cities“ (1994), „Industry & Idleness“ (1996), „Walden“ (1998) oder in jüngster Zeit „Under Construction“ (2018), um nur einige zu nennen. Als Komponist hat er mit den wichtigsten Ensembles und Orchestern (Ensemble Modern, London Sinfonietta, Orchestra of the Age of Enlightenment, Berliner Philharmoniker) und Dirigenten (Lothar Zagrosek, Sir Simon Rattle, Peter Rundel, Peter Eötvös u.v.a.m.) zusammengearbeitet.

Seit Beginn der 90er Jahre komponiert und inszeniert er eigene und weltweit gefeierte Musiktheaterstücke, z.B. „Schwarz auf Weiß“ (1996), „Max Black“ (1998), „Eislermaterial“ (1998), „Hashirigaki“ (2000), „Landschaft mit entfernten Verwandten“ (2002), „Eraritjaritjaka“ (2004), „Stifters Dinge“ (2007), „Songs of Wars I Have seen“ (2007), „I went to the house but did not enter“ (2008) u.v.a. Manche dieser Musiktheaterstücke wurden vom Ensemble Modern Frankfurt, andere vom Théâtre Vidy in Lausanne produziert und zu den wichtigsten internationalen Theater- und Musikfestivals in Europa, in den USA, Südamerika, Australien und Asien eingeladen. Seine großformatige Performance „Everything That Happened And Would Happen“ (2018) mit 10 Tänzern und 5 Musikern wurde in Manchester, New York, Bochum und St. Petersburg aufgeführt. Sound- und Videoinstallationen entstanden für die documenta (1987/ 1997), das Centre Pompidou Paris (2000), Musée d‘ Art Contemporain Lyon, das Albertinum Dresden (2014), New Space Moscow (2017), Museo de Arte, Bogota (2019) u.v.a.

Von 1999 bis 2018 war Heiner Goebbels als Professor (und von 2003 bis 2011 auch als Geschäftsführender Direktor) am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Als Mitbegründer der Hessischen Theaterakademie, der Hessischen Film- und Medienakademie, dem tanzlabor 21 und dem Frankfurt LAB, wie auch als Präsident der Hessischen Theaterakademie (2006 – 2012) und in zahlreichen Vorträgen engagierte er sich dafür, die Bedingungen und Strukturen für die Ausbildung in den darstellenden Künsten wie für avanciertes zeitgenössisches Musiktheater zu verbessern und zu verstetigen. Seine Anthologie „Aesthetik der Abwesenheit“ (2012) ist in mehrere Sprachen übersetzt worden. Von 2012 bis 2014 war er Künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale – International Festival of the Arts, und inszenierte dort u.a. „Europeras 1 & 2“ von John Cage, „Delusion of The Fury“ von Harry Partch und Louis Andriessens Oper „De Materie“.

Für seine Leistungen wurde Heiner Goebbels vielfach ausgezeichnet. 2018 wurde er vom Präsidenten der Justus-Liebig-Universität als erster Amtsinhaber auf die Georg Büchner Professur der JLU berufen.

www.heinergoebbels.com

Stand: November 2019