Jonathan Harvey

Jonathan Harvey, 1939 in Warwickshire (England) geboren, war Chorsänger am St. Michael's College in Tenbury und studierte anschließend Musik am St. John's College in Cambridge. Er promovierte an den Universitäten von Glasgow und Cambridge und studierte auf Anraten von Benjamin Britten Komposition bei Erwin Stein und Hans Keller, beide Schüler Schönbergs. Auf diesem Weg wurde er mit der Zwölftontechnik vertraut. Von 1969 bis 1970 war er Harkness Fellow an der Princeton University. Dort traf er auf Milton Babbitt, der seine Arbeit erheblich beeinflusste. Die neuen Technologien, die damals noch in den Kinderschuhen steckten, eröffneten ihm den Zugang zu einer neuen kompositorischen Dimension: der Erforschung des Klangs. Entscheidend war hier auch die Begegnung mit Stockhausen, über den er die damaligen Studiotechniken kennenlernte. Ihrer beiden Ideen konvergierten in der Auffassung, dass elektronische Techniken die physikalischen Grenzen traditioneller Klangquellen überwinden können. Beide waren sie auf der Suche nach einer Annäherung zwischen dem Rationalen und dem Mystischen, dem Wissenschaftlichen und dem Intuitiven. 1975 veröffentlichte Jonathan Harvey ein Buch über Stockhausens Werk.

In den frühen 1980er Jahren lud Pierre Boulez Jonathan Harvey ein, am IRCAM zu arbeiten, wo er „Mortuos Plango“, „Vivis Voco“ (für Tonband), „Bhakti“ (für Ensemble und Elektronik), „Advaya“ (für Cello und Elektronik) und sein Streichquartett Nr. 4 (mit Live-Elektronik) produzierte. Er begegnete dort auch der Spektralen Musik, die er für einen entscheidenden Faktor in der Entwicklung der zeitgenössischen Musik hielt. Darüber hinaus, so seine Auffassung, führt der Weg zu transzendentalen und spirituellen Dimensionen über den elektronischen Klang.

Jonathan Harveys Werk umfasst alle Genres: Musik für Chor a cappella, großes Orchester („Tranquil Abiding”, „White as Jasmine” und „Madonna of Winter and Spring”), Kammerorchester (String Quartets, „Black Sun/Chitra” und „Death of Light”, „Light of Death”), Ensemble und Soloinstrument. Er gilt als einer der einfallsreichsten Komponist*innen elektroakustischer Musik. Seine erste Oper, „Passion and Resurrection“ (1981), inspirierte zu einem Dokumentarfilm für die BBC („The Challenge of the Passion“); die zweite, „Inquest of Love“, ein Auftragswerk der English National Opera, wurde 1993 unter der Leitung von Mark Elder uraufgeführt; die dritte, „Wagner Dream“, ein Auftragswerk von De Nederlandse Opera, dem Grand Théâtre de Luxembourg, dem Holland Festival und IRCAM, wurde 2007 uraufgeführt.

Von 2005 bis 2008 war Jonathan Harvey „Composer in Residence" beim BBC Scottish Symphony Orchestra, wo er „Body Mandala, ... towards a pure land“ und 2008 vor allem „Speakings“ (Auftragswerk des BBC Scottish Symphony Orchestra, IRCAM und Radio France) schuf.

Jonathan Harvey erhält Kompositionsaufträge aus der ganzen Welt und er gehört zu Komponist*innen, deren Werke vielfach in den Konzertprogrammen präsent sind, weltweit. Seine Werke wurden vom Ensemble Modern, Ensemble Intercontemporain, Ensemble Asko, Nieuw Ensemble (Amsterdam) und Ensemble Ictus (Brüssel) bei Festivals wie Musica (Straßburg), Ars Musica (Brüssel), Musica Nova (Helsinki), Acanthes, Agora sowie in zahlreichen Zentren für zeitgenössische Musik aufgeführt. Fast zweihundert Aufführungen seiner Werke werden jedes Jahr gegeben oder gesendet, und etwa achtzig Aufnahmen sind auf CD erhältlich.

Jonathan Harvey ist Ehrendoktor der Universitäten von Southampton, Sussex, Bristol und Huddersfield und Mitglied der Europäischen Akademie. Im Jahr 1999 veröffentlichte er zwei Bücher über Inspiration und Spiritualität. Von 1977 bis 1993 war Jonathan Harvey Professor für Musik an der University of Sussex, wo er auch später als Honorarprofessor tätig war. Von 1995 bis 2000 lehrte er Musik an der Stanford University (USA), war Gastprofessor am Imperial College London und Ehrenmitglied des St. John's College, Cambridge.

1993 erhielt er den renommierten Britten-Preis für Komposition, 2007 den Giga-Hertz-Preis für das Gesamtwerk seiner elektronischen Musik und „Speakings“ wurde mit dem Prinz-Pierre-de-Monaco-Preis ausgezeichnet. Er ist der erste britische Komponist, der den Grand Prix Charles Cros erhält. Zwischen Mai 2009 und Mai 2010 wurde Jonathan Harveys Werk weltweit gefeiert, in Konzerten und Festivals, die ihm gewidmet waren, mit neuen Aufnahmen und Porträts. Das BBC Symphony Orchestra feierte ihn in seiner Total Immersion-Reihe im Januar 2012. Jonathan Harvey starb im Dezember 2012.

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