Georg Friedrich Haas

„Schon früh war mir zweierlei bewusst: Die zwölf Töne, die ein Klavier pro Oktave aufweist, sind mir zu wenig. Ich brauche engere Intervalle, feinere Abstufungen. Und ich will Ausdruck komponieren, emotionale Musik, die berührt und ergreift“, sagt Georg Friedrich Haas über sein Schaffen. Nach wie vor werden die Werke des ausgewiesenen Kenners mikrotonaler Konzepte von Komponisten wie Wyschnegradsky, Hába, Nono und Grisey oft über ihre mikrotonalen Elemente beschrieben. Eine bestimmte Technik kann für ihn jedoch nur Mittel zum Zweck sein: „Ich habe kein Vertrauen in Beziehungen, die sich nur durch den Notentext und nicht durch die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung erschließen“, erklärt er und verwehrt sich gegen eine von der Musik ablenkende Einordnung in kompositionstechnische Schubladen.

1953 geboren und aufgewachsen in einem Bergdorf in Vorarlberg wurde Georg Friedrich Haas bereits in der Schulzeit durch seinen Musiklehrer, den Komponisten Gerold Amann, mit neuer Musik konfrontiert. Inzwischen bewegt sich der 2013 zum Professor für Komposition an der Columbia University New York berufene Komponist geografisch zwischen zwei Polen. Er sieht sich durch seine Lehrer Gösta Neuwirth, Ivan Eröd und insbesondere Friedrich Cerha eingebunden in die Tradition der Wiener Schule und nutzt gleichzeitig die ästhetische Freiheit amerikanischer Komponisten wie Charles Ives, John Cage oder James Tenney als wichtigen Orientierungspunkt für einen musikalischen Ausdruck jenseits jeglicher Ideologien.

Mit einer ersten Kammeroper erregte Georg Friedrich Haas 1996 großes Aufsehen: „Nacht“ wurde, ebenso wie später die zweite Kammeroper „Die schöne Wunde“, bei den Bregenzer Festspielen zur Uraufführung gebracht. Seitdem hat der Komponist zahlreiche weitere Opern geschaffen. „Melancholia“ – nach einem Libretto von Jon Fosse – wurde 2008 an der Opéra National de Paris uraufgeführt und anschließend an mehreren Opernhäusern gespielt. Mit „Morgen und Abend“ hat Georg Friedrich Haas die Zusammenarbeit mit dem Librettisten 2016 fortgesetzt. Die Oper wurde vom Royal Opera House in London zusammen mit der Deutschen Oper Berlin in Auftrag gegeben. „KOMA“ (2016), „Bluthaus“ (2011) und „Thomas“ (2013), mit Texten von Händl Klaus, widmen sich existenziellen Themen und wurden jeweils, von Publikum und Kritik lebhaft diskutiert, im Rahmen der Schwetzinger SWR Festspiele aus der Taufe gehoben.

Georg Friedrich Haas’ wohl meistgespieltes Werk ist sein Ensemblestück „in vain“, (UA 2000, Klangforum Wien) das teilweise in völliger Dunkelheit aufzuführen ist. 2010 begeisterte bei den Donaueschinger Musiktagen „limited appoximations“ für 6 Klaviere im Vierteltonabstand und Orchester. Das Werk wurde vom SWR Sinfonieorchester unter Sylvain Cambreling uraufgeführt und gehört inzwischen zum festen Repertoire des Orchesters. Viele weitere bedeutende Symphonieorchester haben Werke von Georg Friedrich Haas zur Uraufführung gebracht, darunter das Mozarteum Orchester Salzburg („Sieben Klangräume“, 2005), das Cleveland Orchestra („Poème“, 2006), die Münchner Philharmoniker („Bruchstück“, 2007), das RSO Wien (Klavierkonzert, 2007), das WDR Sinfonieorchester (Saxophonkonzert, 2008), das Gewandhausorchester Leipzig („Traum in des Sommers Nacht“, 2009) und das Münchener Kammerorchester („chants oubliés“, 2011; amerikanische EA durch das Los Angeles Philharmonic). Höhepunkte der letzte Jahre waren die Uraufführungen von „dark dreams“ mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle (die US-Premiere folgte in der Carnegie Hall) sowie vom „concerto grosso Nr. 1“ für vier Alphörner und Orchester (hornroh modern alphorn quartet, Symphoniorchester des BR, Susanna Mällki) und vom „concerto grosso Nr. 2“ für Ensemble und Orchester (BBC Scottish Symphony Orchestra unter Ilan Volkov) sowie in der vergangenen Saison die Uraufführung seines 8. Streichquartetts durch das JACK Quartet und ein Komponistenschwerpunkt bei Wien Modern, wo u.a. das Arditti Quartet seine sämtlichen Streichquartette spielte.

Nachdem bereits im letzten Jahr bei den Donaueschinger Musiktagen das Oktett für Posaune zur Uraufführung kam, bringt Mike Svoboda dort im Oktober ein Konzert für Posaune und Orchester zur Uraufführung, das von Wien Modern, dem Wiener Konzerthaus sowie dem RSO Wien in Auftrag gegeben wurde und anschließend bei Wien Modern zu hören sein wird. Ebenfalls im Rahmen von Wien Modern werden „Hyena“ für Sprecherin und Ensemble sowie das 9. Streichquartett, interpretiert vom JACK Quartet, aus der Taufe gehoben. Einen Schwerpunkt widmet zudem das Huddersfield Contemporary Music Festival der Musik von Georg Friedrich Haas. Als weiterer Saisonhöhepunkt wird im Januar 2017 das Ensemble Resonanz im Rahmen der Eröffnung der Elbphilharmonie in Hamburg das Ensemblewerk „Release“ zur Uraufführung bringen. Im Sommer 2017 ist Georg Friedrich Haas als composer in residence beim Suntory Arts Foundation‘s Summer Festival zu Gast, wo ein für Miranda Cuckson komponiertes neues Violinkonzert zu Gehör kommen wird.

Georg Friedrich Haas wurde für seine Werke mit zahlreichen Kompositionspreisen sowie 2007 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet. Er ist er Mitglied des Österreichischen Kunstsenats, der Akademie der Künste Berlin (2012), der Bayerischen Akademie der schönen Künste (2015) sowie Ehrenmitglied der Wiener Konzerthausgesellschaft (2016).

Stand: Januar 2017