
Mauricio Kagel (1931–2008) ist wohl der einzige Komponist der Avantgarde, der auf die Idee kommen konnte, das klassische Streichquartett mit einer Piccoloflöte zu kombinieren. In „Pan“ aus dem Jahr 1985 benutzt er diese eigenwillige Verbindung von Instrumenten, um aus dem „Papageno“-Motiv der „Zauberflöte“ musikalische Funken zu schlagen. Die Verwendung selten gebrauchter Instrumente und unkonventioneller Spielweisen findet sich in Kagels Schaffen häufig. Ebenso ist der Bezug auf Musik der Vergangenheit und auf musikalische Genres wie auf die verschiedensten Arten von Trivialmusik ein wichtiges Element seines Schaffens. Kagels Musik ist dabei oft humorvoll und grotesk, sie streift das Absurde und Surreale, bleibt aber nie beim oberflächlichen Witz stehen. Vielmehr schwingt in seinen verfremdenden Vergegenwärtigungen etwas Unheimliches, nicht ganz Geheures mit. Es ist gleichsam eine Musik mit doppeltem Boden. Dabei ist Kagels Schaffen außerordentlich umfangreich und vielfältig und umfasst auch Hörspiele und Filme. Zudem hat er zahlreiche experimentelle Musiktheaterwerke geschaffen, in denen Musizieren und schauspielerisches Agieren unauflöslich miteinander verbunden sind.
Mauricio Kagel wurde Heiligabend 1931 in Buenos Aires als Sohn deutsch-russischer Juden geboren. In Kindheit und Jugend machte Kagel im reichhaltigen Kulturleben der argentinischen Hauptstadt vielfältige Erfahrungen. Er erlernte mehrere Instrumente, leitete Chöre und war von 1955 bis 1957 Korrepetitor am Teatro Colón unter Erich Kleiber. Trotz dieser intensiven Beschäftigung mit Musik ergriff Kagel ein auf Literatur und Philosophie gerichtetes geisteswissenschaftliches Studium, in dem der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges sein wichtigster Lehrer war. Ein weiteres prägendes Element von Kagels intellektueller Biografie ist der Film. Bereits in seiner Kindheit konnte er Dreharbeiten in einem nahe gelegenen Filmstudio beobachten, später ließ er sich als Statist engagieren. 1950 war Kagel Mitbegründer eines Filminstituts, ab 1952 schrieb er regelmäßig Filmkritiken.
1957 heiratete Kagel die deutsche Künstlerin Ursula Burghardt. Im selben Jahr ging das Ehepaar Kagel nach Köln, wo sich Kagel zunächst vor allem mit elektronischer Musik und den Entwicklungen der musikalischen Avantgarde auseinandersetzte. Von 1960 an war er international häufig als Dozent tätig, unter anderem bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1974 übernahm Kagel dann eine Professur für Neues Musiktheater an der Musikhochschule Köln. In den 1960er und 1970er Jahren bildete das instrumentale Theater in den verschiedensten Umsetzungen einen Schwerpunkt seines Schaffens. Den Höhepunkt dieser Phase bildet die Szenische Komposition „Staatstheater“, ein Zyklus von neun Bühnenwerken, die auch selbständig aufgeführt werden können. Seit etwa 1980 nahm Kagels Komponieren eine Wende. Szenische Elemente traten nun in den Hintergrund. Kagel komponierte vorwiegend für konventionelle Instrumente und arbeitete mit eigentümlich beschädigten traditionellen Harmonien und Rhythmen. Dabei bezog er sich oft auf bestimmte Stücke oder Komponisten der Vergangenheit, worauf Werke wie „Sankt-Bach-Passion“ oder „Fürst Igor, Strawinsky“ schon in ihrem Titel hinweisen. Der Komponist starb am 18. September 2008 in Köln.