Iannis Xenakis

In der mit mathematischer Präzision konstruierten Musik von Iannis Xenakis werden enorme, den Hörer überwältigende Energien freigesetzt. Seinen Kompositionen liegen visuelle Vorstellungen zu Grunde, die Xenakis mit Hilfe mathematischer Verfahren in Partituren oder elektroakustische Klänge verwandelt. Hier berührt sich der musikalische Konstrukteur mit dem Architekten.

Iannis Xenakis wurde 1922 als Sohn griechischer Eltern geboren, die in Rumänien lebten, wo sein Vater eine Handelsniederlassung leitete. Nach dem frühen Tod seiner Mutter wurde er auf ein Eliteinternat in Griechenland geschickt, bereitete sich anschließend auf ein technisches Studium vor und nahm privaten Musikunterricht. Als Xenakis im Herbst 1940 sein Studium in Athen aufnahm, wurde er in den Strudel der geschichtlichen Ereignisse gezogen und schloss sich verschiedenen Widerstandsbewegungen gegen die italienische und deutsche Besatzung an. In den Wirren des Kriegsendes erlitt Xenakis im Januar 1945 eine schwere Verwundung. Er verlor ein Auge und blieb durch die Lähmung der linken Gesichtshälfte sein Leben lang gezeichnet. Nach seiner Genesung konnte er 1947 sein Studium mit einem Diplom als Bauingenieur abschließen. Einer drohenden Zwangseinberufung erzog er sich mit der Flucht nach Paris, wo er eine Arbeit im Büro des berühmten Architekten Le Corbusier fand. Xenakis führte zunächst nur Berechnungen durch, wurde aber zunehmend mit Entwürfen betraut. Parallel dazu besuchte er für zwei Jahre die Analysekurse Olivier Messiaens.

Die Uraufführung seines Orchesterwerks „Métastasis“ im Oktober 1955 machte Xenakis mit einem Schlag bekannt. Beinahe zeitgleich veröffentlichte er einen Artikel, in dem er die serielle Musik seiner Zeit grundlegend kritisierte. 1958 führte ein Streit über Xenakis’ zunächst verschwiegenen Anteil an dem Philips-Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel zu einem Zerwürfnis mit Le Corbusier. Xenakis’ schöpferische Tätigkeit wendete sich danach eindeutiger als vorher der Musik zu. Sein kontinuierlich erweitertes umfangreiches Œuvre umfasst Kompositionen für eine Vielzahl von Klangkörpern vom gigantisch besetzten Orchester bis zum Solostück. Iannis Xenakis starb am 4. Februar 2001 in Paris.

Xenakis war der Architekt des Philips-Pavillons der Brüsseler Weltausstellung 1958 sowie anderer architektonischer Projekte wie dem Couvent de La Tourette (1955). Er komponierte für den französischen Pavillon der Weltausstellung in Montreal (1967), für die Ausstellung Persepolis, Berg und Ruinen von Persepolis, Iran (1971), für das "Polytope" von Cluny, Paris (1972), für das "Polytope" von Mycènes, Ruinen von Mycènes, Griechenland (1978), für das "Diatope" bei der Einweihung des Centre Georges Pompidou, Paris (1978).

Darüber hinaus war er Gründer (1965) und Präsident (ab 1965) des Centre d'études de Mathématique et Automatique Musicales (CEMAMu), Paris; außerordentlicher Musikprofessor an der Indiana University, Bloomington (1967-1972) und Gründer des Center for Mathematical and Automated Music (CMAM), Indiana University, Bloomington (1967-1972); Forscher am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS), Paris (1970); Gresham Professor of Music, City University London (1975) sowie Professor an der Universität Paris I-Sorbonne (1972-1989).

Stand: März 2024