Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos

Am 9. Mai 1980 wurde das Orquesta Experimental de Instrumentos Nativos (OEIN) gegründet. Unterstützt von der der Universidad Mayor de San Andrés (UMSA), der staatliche Hochschule in der Stadt La Paz (Bolivien), traten damals 48 Musiker*innen unter der Leitung des Gründers von OEIN, dem Dirigenten und Komponisten Cergio Prudencio, zum ersten Mal mit einem Konzert in die Öffentlichkeit.

Cergio Prudencio beschreibt „die Idee, ein Orchester aus indigenen Instrumenten zu formen, als eine primär künstlerische Idee und ihre Realisierung als einen kreativen Akt … Dieses Konzept wirkt sich vor allem auf den kreativen Umgang mit dem Klangmaterial aus, in dem die indigenen Instrumente und die mit ihnen überlieferten Traditionen musikalischer Praxis auf verschiedenen Ebenen in größer angelegte neue musikalische Strukturen überführt werden … Da die indigenen Musikinstrumente die Grundlage des Projekts sind und seinen spezifischen Charakter ausmachen, führt das dazu, sich intensiv mit ihrer Akustik, ihre Technik auseinander zu setzen sowie die Möglichkeiten auszuloten, sie experimentell-kompositorisch einzusetzen. Diese Instrumente sind jedoch keine isolierten Erscheinungen. Gerade wenn wir sie in den Fokus unseres intellektuellen wie künstlerischen Interesses stellen, müssen wir den kulturellen Kontext berücksichtigen, aus dem sie kommen und den sie implizit wie explizit spiegeln … Es geht also nicht darum, europäische Kompositionstechniken auf indigene Instrumente zu übertragen, sondern darum, in der indigenen Auffassung von Musik Elemente des Wandels und der Transformation zu finden, um eine historische Kontinuität herzustellen.“

Auch wenn das OEIN hauptsächlich neue Musik spielt, die speziell für dieses Ensemble komponiert wird, ist sein Repertoire vielfältig und umfasst auch die traditionelle Musik der Andengemeinschaft (span. Comunidad Andina de Naciones, Abkürzung: CAN Staatenverbund der Länder Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru nach Vorbild der Europäischen Union). Das musikalische Fundament des Ensembles ist zweigeteilt: Die traditionelle Musik bildet die Grundlage für ihre Techniken und Philosophie, während die neue Musik als Ausdrucksmittel dient und ihre zeitgenössische Identität ausmacht. Im Repertoire des OEIN werden die Instrumente so in die Musik integriert, wie sie ursprünglich gebaut wurden, mit ihren eigenen traditionellen Blastechniken, der nicht-temperierten Stimmung und der charakteristischen Spielweise der Interpret*innen. Die Musiker*innen des OEIN sind in der Lage, die gesamte Bandbreite einheimischer Instrumente zu spielen und können sich den Anforderungen des jeweiligen musikalischen Werks entsprechend gruppieren oder aufteilen (im Gegensatz zur Aufteilung in Instrumentengruppen, wie sie bei herkömmlichen Orchestern üblich ist).

Das OEIN erforscht die Musik und Instrumente der Aymara-Kultur aus dem bolivianischen Hochland. Diese Musik ist in einer einzigartigen Struktur organisiert, den Tropa (Tropen), als eine Art kollektiver Klangvorstellung. Eine Tropa kann definiert werden als ein Ensemble von Instrumenten, die zu einer einzigen Instrumentenfamilie gehören, die aus verschiedenen Registern oder Größen bestehen, die wiederum verdoppelt und erweitert werden können, so wie es die Vorstellungen von einem Gesamtklang erfordern. Die Tropa sind also auch eine körperliche Einheit, die das Zusammenspiel der Musiker prägt. In diesem Sinn besteht Tropa aus Paaren, die nach dem Prinzip „Arca-Ira“ strukturiert sind: „Ira“ bezeichnet den, der vorne liegt und „Arca“ den, der von hinten kommt. Beim Spielen ergänzt jede*r Musiker*in die Töne des*der anderen, und durch dieses Wechselspiel bilden Musiker*innen zusammen einen musikalischen Fluss. Dieses Konzept wird weiter auf die verschiedenen Instrumente wie Panflöten, gekerbte Flöten, vertikale Flöten, Querflöten übertragen und führt zu einem Wechselspiel und Verdopplung zwischen den Registern innerhalb der Tropa.

Um die Komposition neuer Musik zu fördern hat OEIN ein Residenzprogramm für junge Komponist*innen eingerichtet, die vor allem aus Bolivien, aber auch aus Argentinien, Brasilien, Uruguay, Ecuador, Costa Rica und sogar aus der Schweiz und Österreich kommen. Im Rahmen dieses Programms hat das OEIN mit Komponist*innen wie Graciela Paraskevaídis, Tato Taborda, Alejandro Cardona, Mesías Maiguashca, Beat Furrer und Mischa Käser zusammengearbeitet. Aber auch mit bolivianischen Komponist*innen der jungen Generation wie Carlos Gutiérrez Quiroga, Daniel Calderón, Carlos Nina, Canela Palacios, Miguel Llanque, Lluvia Bustos und vielen anderen mehr. Das OEIN kooperiert mit Institutionen wie dem Prinz-Claus-Fonds, der Pro-Helvetia-Stiftung, dem SWR, dem Goethe-Institut, der CAF (Corporación Andina de Fomento), dem IBD, dem bolivianischen Bildungsminister und der Stadt La Paz.

Zum OEIN gehört auch ein musikalisches Schul-und Bildungsprogramm, das „Programma de iniciatión a la musica“, in dem die Schüler*innen von Anfang an auf nativen Instrumenten spielen anstatt sich die Musik über die westliche Musik zu erschließen. Alle Mitglieder der OEIN sind ehemalige Schüler dieses Bildungsprogramms, das jedes Jahr 500 Kinder und Jugendliche in La Paz erreicht.

Das OEIN besteht aus 28 Musiker*innen. Seit 2019 leitet Carlos Gutiérrez Quiroga das Orchester.

Seit seiner Gründung hat das OEIN mehrere CDs beim Bolivianischen Label Cantvs veröffentlicht, und war darüber hinaus live im Radio in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich zu hören.

Es ist Gast bei international angesehenen Musikfestivals wie den Donaueschinger Musiktagen, der Neuen Musik Rümlingen, der Musikakademie Basel, den Klangspuren in Schwaz, Transart, Experimenta (Argentinien), Núcleo Música Nueva (Uruguay) und Músicas del Mundo (Kolumbien).. Kammermusikgruppen des OEIN traten beim Perth Festival, bei Klangzeit Münster, P'iri (Korea), Instrumenta (Mexiko), Ciclo Ópera Contemporánea (Argentinien) auf.

2011 war das OEIN war bereits im Rahmen seiner Europatournee im Haus der Berliner Festspiele zu Gast.

Stand: Februar 2020

Kommende Veranstaltungen

Vergangene Veranstaltungen