Zusammen mit dem kürzlich verstorbenen Louis Andriessen und mit Michel van der Aa ist Robin de Raaff (*1968) der international prominenteste niederländische Komponist unserer Zeit. Stilistisch bezieht er, darin dem zwei Jahre jüngeren van der Aa nicht unähnlich, eine unabhängige Position zwischen den Strömungen einer neotonalen Postmoderne und einer strengen Avantgarde. In mehreren Stücken dienen ihm kanonische Werke der Musik des 20. Jahrhunderts als Ausgangspunkt für frei und individuell entwickelte Kompositionen.
De Raaff wurde in Breda geboren und erhielt früh Klavierunterricht. Den Weg zum eigenen Komponieren fand er aber nicht über diese klassische Ausbildung, sondern über eine Band, in der er als Jugendlicher Bassgitarre spielte. De Raaff begann mit eigenen Songs im Pop- und Jazzbereich und erfand immer ausgefeiltere Instrumentalsoli, die schließlich in ausnotierte, komplexe Instrumentalstücke mündeten. Mit diesen Erfahrungen im Rücken entschloss sich de Raaff, ein Kompositionsstudium in Amsterdam aufzunehmen, das er 1997 abschloss. Richtungsweisend für den angehenden Komponisten wurde ein Meisterkurs bei Pierre Boulez im Jahr 1995, den die Dutch National Opera veranstaltete. Boulez zeigte sich von de Raaffs 1. Streichquartett beeindruckt und setzte sich auch öffentlich für ihn ein. Ein weiterer wichtiger Mentor war George Benjamin, bei dem de Raaff 1999 am Royal College of Music in London als einziger Kompositionsstudent studieren konnte. Außerdem wurde er hier von Julian Andersson unterrichtet. Seit 2001 ist de Raaff selbst Professor für Komposition am Konservatorium in Rotterdam.
Der umfangreiche Werkkatalog de Raaffs ist vielgestaltig, zeigt aber eine besondere Affinität zu Orchesterwerken, in denen sich die spezifische Klangfantasie und Instrumentierungskunst des Komponisten besonders glücklich entfalten kann. Hierzu zählen allein fünf Sinfonien und zehn Instrumentalkonzerte. Für die Dutch National Opera entstanden bisher zwei Opern. 2004 wurde hier die Oper „RAAFF“ uraufgeführt, an der der Komponist über zehn Jahre lang gearbeitet hatte. Der Titelheld des Werkes ist der namensgleiche Tenor Anton Raaff, der vor allem als erster Darsteller des „Idomeneo“ in Wolfgang Amadeus Mozart gleichnamiger Oper bekannt ist. 2012 folgte die Uraufführung seiner zweiten Oper „Waiting for Miss Monroe“ über das Leben Marilyn Monroes, die international vielfach aufgeführt wurde.
Eine langjährige Zusammenarbeit verbindet de Raaff mit dem Boston Symphony Orchestra und dem von dem Orchester ausgerichteten Tanglewood Festival, auf dem unter anderem 2001 das 1. Klavierkonzert de Raaffs uraufgeführt wurde, sowie mit dem Royal Concertgebouw Orchestra, das in der Saison 2026/27 auch sein jüngstes großes Werk „L’Azur“ zur niederländischen Erstaufführung bringen wird.
Stand: November 2024