
Leonard Bernstein (1918 – 1990) war eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Musikwelt der Nachkriegszeit. Während zu Bernsteins Lebzeiten der charismatische Dirigent in der öffentlichen Wahrnehmung seit etwa 1960 klar im Vordergrund stand, hat ihn inzwischen der Komponist Bernstein abgelöst. Insbesondere die Musik der „West Side Story“ aus dem Jahr 1957 ist in verschiedenen Fassungen und einer schier unüberblickbaren Zahl an Bearbeitungen aus unserem Musikleben nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig weist die Unterscheidung zwischen dem Komponisten und dem Dirigenten auf den Grundkonflikt in Bernsteins Leben hin, den er nie zu lösen vermochte und der wohl auch unlösbar war.
Bernstein wurde am 25. August 1918 als Kind russisch-jüdischer Einwanderer aus der Ukraine geboren. Von 1935 bis 1939 absolvierte er ein Musikstudium an der Harvard University, wo unter anderem Walter Piston zu seinen Lehrern zählte. 1937 lernte Bernstein hier den knapp zwanzig Jahre älteren Komponisten Aaron Copland kennen, mit dem er sich rasch anfreundete und der zu einem wichtigen Mentor und Förderer Bernsteins wurde. An die Studien in Harvard schloss sich ein Dirigierstudium bei Fritz Reiner und Sergej Koussevitzky an.
Am 14. November 1943 nahm Bernsteins Leben eine entscheidende Wende. An diesem Tag sprang er bei einem Konzert der New Yorker Philharmoniker für Bruno Walter ein und wurde buchstäblich über Nacht zu einer nationalen Berühmtheit. Damit begann eine unaufhaltsame Karriere, die ihn schließlich zu einem der gefragtesten Dirigenten weltweit werden ließ. Insbesondere die Übernahme der New Yorker Philharmoniker als Chefdirigent im Jahr 1958 führte dazu, dass Bernstein sich gezwungen sah, sein Komponieren der Tätigkeit als Dirigent unterzuordnen.
Bis zu diesem Amtsantritt erregte auch der Komponist Bernstein Aufsehen. 1944 gelang ihm mit dem Musical „On the Town“ ein respektabler Broadway-Erfolg. Bereits im Januar desselben Jahres war seine 1. Sinfonie über die Klagelieder des Propheten Jeremias erfolgreich uraufgeführt worden. Die Gegenüberstellung dieser beiden Werke fängt das weite Spektrum seiner Kompositionen ein. Bernstein schuf sowohl Werke, die auf einfache, populäre Zugänglichkeit zielen und stark vom Jazz beeinflusst sind, als auch ernste, oft weltanschaulich motivierte Kompositionen, die sich am Kanon der Konzertmusik orientieren. Stilistisch entscheidend ist, dass er diese beiden Seiten nicht als unversöhnliche Gegensätze sah, sondern sich vielmehr in einem Kontinuum zwischen ihnen bewegte. Sein Schaffen dieser Jahre kulminiert in der 2. Sinfonie „The Age of Anxiety“ (1948/49), in der dieses stilistische Kontinuum mustergültig ausgeschöpft ist.
Zu den vielen Talenten Bernsteins gehörte auch eine pädagogische Ader. In bis heute maßstabsetzenden Fernsehproduktionen erreichte er von 1954 an ein Millionenpublikum, dem er die Welt der Klassik nahebrachte. Ausgezehrt von einer exzessiven Lebensführung starb Bernstein am 14. Oktober 1990.
Stand: Februar 2025