Leoš Janáček

Leoš Janáček

Leoš Janáček

Den ganzen Vormittag erklang das Klavier, allerdings in einer ungewöhnlichen Weise. Janáček hämmerte so laut, wie es überhaupt möglich war, und zumeist bei ständig gehobenem Pedal mit dem Finger immer wieder ein und dasselbe Motiv von ein paar Tönen aus dem Klavier hervor. (…) Aus der Verve, mit der er spielte, war herauszufühlen, wie stark er von der Gefühlskraft des Motivs erregt und hingerissen wurde. An dieser Erinnerung eines Zeitgenossen an die Arbeitsweise Leoš Janáčeks (1854–1928) ist nicht nur das Hervorheben der prägnanten Kurzmotive bemerkenswert, die für das Schaffen des Komponisten so charakteristisch ist. In ihr wird auch das Bild eines genialen Dilettanten entworfen und tatsächlich fehlen solche Züge der Gestalt des großen Komponisten nicht.

Leoš Janáček hat als Komponist erst spät ganz zu sich selbst gefunden. Den entscheidenden Schritt tat er mit der Oper „Jenufa“, an der er mit Unterbrechungen fast zehn Jahre lang von 1894 bis 1903 arbeitete. Die produktivste Phase seines Schaffens setzte aber erst 1917 ein, als Janáček bereits über sechzig Jahre alt war. In den folgenden Jahren bis zu seinem Tod 1928 entstanden die meisten Werke, die wir heute mit seinem Namen verbinden. Neben seinen Opern sind das vor allem Die „Sinfonietta“ (1926), die „Glagolitische Messe“ (1926/27) und die Streichquartette Nr. 1. und Nr. 2, die die Beinamen „Kreutzersonate“ und „Intime Briefe“ tragen.

Leoš Janáček wurde am 3. Juli 1854 in die ärmlichen Verhältnisse eines abgelegenen mährischen Dorfes in eine Familie von Lehrern und Musikern hinein geboren. Mit elf Jahren schickten ihn seine Eltern nach Brno (Brünn), wo er eine höhere Schulbildung erwarb und auch musikalischen Unterricht erhielt. Nach Studien in Prag, wo er Antonin Dvořak persönlich kennenlernte, und Leipzig ging Janáček nach Brünn zurück. Dort gründete er 1881 eine Orgelschule, deren Direktor er bis 1919 blieb und aus der später das Konservatorium der Stadt hervorging.

Angeregt von seinem Freund František Bartoš begann Janáček bereits 1885 sich mit der Volksmusik seiner Heimat zu beschäftigen. Auf regelmäßigen Exkursionen, oftmals zu Fuß, da viele Ortschaften anders gar nicht zu erreichen waren, trug Janáček gemeinsam mit Bartoš eine imponierende Anzahl von Liedern zusammen, die in verschiedenen Formen von der wissenschaftlichen Edition bis zur praktischen Ausgabe publiziert wurden. Die Auseinandersetzung mit der mährischen Volksmusik wirkte wie ein Katalysator auf Janáčeks Schaffen, seine ehemals oft epigonal wirkenden Kompositionen nahmen nun zusehends individuelle und originelle Züge an.

Mit der erfolgreichen Uraufführung der „Jenufa“ in Brünn am 21. Januar 1904 wurde Janáček zu einer respektierten Persönlichkeit des Brünner Musiklebens, wo er auch mehrere Chöre und Orchester leitete. Trotz dieses lokalen Erfolges blieb sein Name aber außerhalb Mährens so gut wie unbekannt. Dies änderte sich erst mit der nachgerade sensationellen Wiederaufführung der „Jenufa“ 1916 in Prag. In kurzer Zeit folgten Aufführungen in Wien, Köln, Berlin und New York, die Janáček internationale Anerkennung brachten. Janáček konnte sich nun ausschließlich dem Komponieren widmen und schuf in den verbleibenden Jahren seiner reifen Meisterschaft unter anderem vier Opern, Orchesterwerke und Kammermusik in einem unverwechselbar eigenen, bezwingend ausdrucksstarken Stil. Leoš Janáček starb am 12. August 1928.