
George Antheil (1900 – 1959) war der „Bad Boy of Music“, so der Titel seiner ungemein unterhaltsamen Autobiografie aus dem Jahr 1945. Nie um eine künstlerische Provokation verlegen, legte Antheil einen eigenartigen Weg zurück, der von extremer Fortschrittlichkeit in den 1920er-Jahren zu einer gemäßigten, neoromantischen Moderne führte. Seine bedeutendste Komposition ist das „Ballet Mécanique“, ein regelrechtes Kultstück der Avantgarde, in dem eine maschinenhafte, von repetitiven Strukturen bestimmte Musik von elementarer Klanggewalt ins Werk gesetzt ist. Schon die ursprüngliche Besetzung für 16 mechanische Klaviere und umfangreiches Schlagwerk, für das neben sieben Xylophonen auch der Einsatz zweier Flugzeugpropeller vorgesehen ist, zeigt Antheils bedingungslosen Fortschritts- und Überbietungswillen. Während Antheils Schaffen lange auf dieses Stück reduziert wurde, haben in jüngerer Zeit vermehrt auch andere Werke wie etwa die Violinsonaten Aufmerksamkeit gefunden.
Antheils Leben enthielt unabhängig von seinem Musikerdasein zahlreiche Wendungen, die kaum zu glauben sind. So verfasste er Kolumnen für unglücklich Verliebte, Kriminalromane, war Experte für Fragen militärischer Strategie und schließlich auch ein Tüftler, der zusammen mit der berühmten Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr ein Verschlüsselungsverfahren erfand, das viel später zu einem Grundbaustein der Mobilfunktechnik werden sollte. Zudem hatte er das Glück oder Gespür, am richtigen Ort zur rechten Zeit zu sein, und hatte so mit James Joyce und Ezra Pound ebenso freundschaftlichen Umgang wie mit Igor Strawinsky und Ernest Hemingway.
Antheil wurde in Trenton, der Hauptstadt New Jerseys an der US-amerikanischen Ostküste als Kind deutscher Einwanderer geboren und begann mit 13 Jahren mit dem Klavierspiel. Er machte so rasche Fortschritte, dass er 1919/20 im nahegelegenen Philadelphia Klavier studieren konnte. Hinzu kamen kurzzeitige Kompositionsstudien bei Ernest Bloch. Im Wesentlichen blieb Antheil aber Autodidakt, der sich unbekümmert um traditionelle Maßstäbe und Kategorien entwickelte. In diesen entscheidenden formativen Jahren konnte Antheil in Philadelphia und im ebenfalls leicht zu erreichenden New York zahlreiche Kontakte in der Künstler- und Intellektuellenszene knüpfen sowie US-amerikanische Erstaufführungen von Werken Arnold Schönbergs, Igor Strawinskys und Claude Debussys hören.
Entscheidend war ein 1922 als Konzertreise begonnener Aufenthalt in Europa. Nach einer längeren Station in Berlin, wo er Strawinsky kennenlernte, der ihn stark beeinflusste, lebte Antheil von 1923 bis 1928 in Paris, wo seine wichtigsten Werke entstanden und im Juni 1926 auch die Uraufführung des „Ballet Mécanique“ stattfand, ein Skandalerfolg ersten Ranges. Die Aufführung einer überarbeiteten Fassung zusammen mit der „Jazz Symphony“ Antheils ein Jahr später in New York geriet hingegen zum Fiasko. Stilistisch hatte sich Antheil da schon zum Neoklassizisten gewandelt.
Die Jahre bis 1933 verbrachte Antheil in Wien und Berlin, bevor er endgültig in die USA zurückkehrte. Er war in New York für die Ballettkompagnie von Georges Balanchine und die Filmindustrie tätig und ging schließlich 1936 nach Hollywood, wo er seinen Lebensunterhalt als vielseitiger Filmkomponist verdiente. In diesen Jahren wurde es stiller um Antheil. Zwar entstanden weiter autonome Werke, denen aber ein durchschlagender Erfolg versagt blieb. Er starb am 12. Februar 1959 in New York.
Stand: April 2025