
Pascal Dusapin © Philippe Gontier
Die kompositorischen Einflüsse Pascal Dusapins, geboren 1955 in Nancy, sind genauso vielfältig wie die außermusikalischen Inspirationen. Edgar Varèse nannte er seinen „musikalischen Großvater“, Iannis Xenakis seinen „musikalischen Vater“. Von 1974 bis 1978 besuchte Dusapin an der Sorbonne Kompositionskurse bei Xenakis, der zu seinen wichtigsten Impulsgebern wurde und sein Interesse für Mathematik und Architektur weckte. 1976 war Dusapin Gasthörer in der Kompositionsklasse Olivier Messiaens, während er noch an der Pariser Sorbonne in Kunst und Ästhetik eingeschrieben war. Francesco Donatoni und Hughes Dufourt waren weitere wichtige Förderer in den weitestgehend autodidaktischen Anfängen seines Komponierens, das mit „Souvenir du Silence“ (1976) für 13 Streicher begann.
Die Auseinandersetzung mit der Literatur und Geistesgeschichte unterschiedlichster Epochen war elementar prägend für das Werk Dusapins. Sie manifestiert sich besonders intensiv und wirkungsträchtig in seinen Werken für die Bühne: Dusapins erste Oper „Roméo & Juliette“ (1986) beruht auf einer engen Verbindung der Musik mit dem Rhythmus und der Klangqualität der Worte von Autor Olivier Cadiot; „Medeamaterial“ (1991) ist eine Hommage an Heiner Müller und das gleichnamige Drama; „To be sung“ eine Reflexion der Schriften Gertrude Steins. Für seine Opern „Faustus“, „The Last Night“, uraufgeführt 2006 an der Staatsoper Unter den Linden, und die auf dem Orpheus-Mythos beruhende „Passion“, uraufgeführt beim Festival Aix-en-Provence 2008, schrieb er selbst die Libretti. In „Penthesilea“ verarbeitete er Leben und Werk Heinrich Kleists (UA 2015, La Monnaie in Brüssel); ebenfalls für Brüssel komponierte er 2019 „Macbeth Underworld“.
Auch in einem umfangreichen Vokalwerk offenbart sich Dusapins enge Bindung zur Literatur und zu den Ausdruckspotentialen der menschlichen Stimme. Im Liederzyklus „O Mensch!“ (2012) nähert er sich Gedichten Friedrich Nietzsches in einer expressiv vielschichtigen und persönlichen Weise. „Disputatio“ (2014) für Chor, Glasharmonika und Streichorchester entwirft ein Zwiegespräch aus frühmittelalterlichen Texten über das Wesen der Existenz. „Ehrlich gesagt, mache ich beim Komponieren gar keinen Unterschied mehr zwischen Instrument und Stimme – alles ist Singen“, hat Dusapin bekannt. Auch seine zahlreichen Kammermusiken, Solokonzerte und Orchesterstücke werden in der Regel bewegt von existentiellen Impulsen und Anregungen aus Literatur, Philosophie und Kunst.
Dusapin erhielt zahlreiche Auszeichnungen: 1993 den Preis der Akademie der schönen Künste, 1994 den SACEM-Preis für Symphonische Musik, 1995 den Grand Prix National de Musique des französischen Kulturministeriums. Der französische Präsident Emmanuel Macron beauftragte Dusapin, die Musik für die Panthéonisation des französischen Schriftstellers und Chronisten des Ersten Weltkrieges Maurice Genevoix im November 2020 zu schreiben. In der Saison 2024/25 war Dusapin Composer in Residence der Dresdner Philharmonie.
Stand: Februar 2025