
Isang Yun © Boosey & Hawkes, Bote & Bock, Berlin Archive
Europäisches und Asiatisches gelangt in den Werken des Koreaners Isang Yun (1917 – 1995) zu einer hoch individuellen Synthese. Während sein Schaffen sich in die übergreifende Strömung der Klangkomposition der Nachkriegsavantgarde einfügt, hört man seiner Musik gleichzeitig deutlich an, wie tief sie in der Klanglichkeit und Musikanschauung traditioneller koreanischer Musik verwurzelt ist. Seine Mittlerstellung zwischen westlicher und östlicher Musikkultur war ein Vorbild für viele von ihm maßgeblich beeinflusste jüngere Komponisten der asiatischen Welt.
Das Leben nur weniger Musiker des 20. Jahrhunderts ist so unmittelbar und direkt von den politischen Geschehnissen seiner Zeit beeinflusst gewesen wie das Isang Yuns. Yun wurde am 17. September 1917 in einer Hafenstadt im Süden Koreas geboren. Seit 1910 war das damals noch ungeteilte Land von Japan annektiert, das Korea ein rigoroses Programm der Angleichung auferlegt hatte. Der Widerstand gegen die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs andauernde Hegemonie Japans prägte Yuns Kindheit und schärfte das Bewusstsein für die eigene koreanische Kultur und Identität. Yun studierte in Japan und in Korea Violoncello und Komposition und engagierte sich dann aktiv im Widerstand gegen die japanische Besatzungsmacht. 1943 wurde er deswegen festgesetzt und in der Haft gefoltert, aber nach zwei Monaten wieder entlassen. Nach dem Krieg arbeitete Yun zunächst als Musiklehrer. Ab 1952 unterrichtete er dann an zwei koreanischen Universitäten Komposition.
Ein Stipendium ermöglichte es dem inzwischen knapp dreißig Jahre alten Komponisten, seine Studien von 1956 bis 1959 in Europa wieder aufzunehmen. Yun kam nun in intensiven Kontakt mit den Komponisten der Avantgarde, unter anderem bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik. 1964 entschloss er sich entgegen seinen ursprünglichen Plänen, in Europa zu bleiben und sich in Berlin niederzulassen. Zwei Jahre später gelang ihm mit der Uraufführung des Orchesterwerkes „Réak“ auf dem Festival in Donaueschingen der internationale Durchbruch als Komponist.
Aus seiner kritischen Einstellung gegenüber der Militärdiktatur, die seine Heimat Südkorea regierte, machte Yun keinen Hehl. 1967 wurde er vom südkoreanischen Geheimdienst in einer Aufsehen erregenden Aktion aus Berlin entführt, in Seoul wegen Hochverrats angeklagt und in einem Schauprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach internationalen Protesten konnte Yun 1969 nach Berlin zurückkehren. Er nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an und unterrichtete von 1970 bis 1985 Komposition an der Berliner Universität der Künste. Isang Yun starb am 3. November 1995 in Berlin.
Stand: Juni 2017