
Johannes Brahms Foto: New York Public Library Archives
Im Frühherbst des Jahres 1853 muss sich Johannes Brahms (1833 – 1897) wie eine Figur aus einem Groschenroman gefühlt haben. Aufgewachsen in Hamburg und aus kleinbürgerlichen, geradezu ärmlichen Verhältnissen stammend, hatte er sich einige Monate zuvor als Begleiter eines bekannten Geigers auf seine erste Konzertreise begeben. In deren Verlauf hatte Brahms viele hochrangige Musiker getroffen wie den ungarischen Geiger und Komponisten Joseph Joachim, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Und nun fand sich der junge Mann in Düsseldorf im Hause Robert Schumanns wieder, am Tisch des wohl angesehensten Komponisten Deutschlands, der von Brahms’ Kompositionen und Klavierspiel schlichtweg begeistert war. Am 28. Oktober 1853 veröffentlichte Schumann einen geradezu prophetischen Artikel, in dem er Brahms emphatisch als entscheidende Künstlerpersönlichkeit der Zukunft feierte. Daraufhin fand Brahms rasch Verleger, die sich für seine Werke interessierten. Als er im Dezember nach Hamburg zurückkehrte, waren die ersten Kompositionen bereits erschienen.
So glanzvoll dieser Eintritt in die musikalische Öffentlichkeit war, lösten die hohen Erwartungen doch auch eine gewisse Beklemmung bei Brahms aus. Er verfiel in eine schöpferische Krise, aus der er sich erst mit dem Abschluss des 1860 uraufgeführten 1. Klavierkonzertes in d-Moll op. 15 befreien konnte. Dem Werk war zwar ein Erfolg zunächst versagt, Brahms selbst aber war sich von da an seiner schöpferischen Kraft sicher, komponierte stetig weiter und erschloss sich dabei planmäßig neue Gattungen von der Kammermusik über Lieder bis zu groß besetzten Vokalwerken. Seinen Lebensunterhalt verdiente Brahms anfangs hauptsächlich als Pianist und Dirigent, unter anderem eines Hamburger Frauenchores. Die Honorare für seine Kompositionen stiegen aber stetig an und erreichten schließlich enorme Summen. Festen Anstellungen wich Brahms, der seinen Wohnsitz Anfang der 1860er-Jahre in Wien nahm, weitgehend aus, um sich ungestört seinem Schaffen widmen zu können. Dabei nutzte er die Wintersaison, um Konzerte zu geben, und zog sich im Sommer zum Komponieren aufs Land zurück.
Anders als etwa Liszt und Wagner, die beim Komponieren neue Wege beschreiten wollten, sah Brahms seine Aufgabe vornehmlich darin, bestehende Formen und Gattungen um eigene Beiträge zu bereichern und lebendig zu halten. Dabei war er ein außerordentlich selbstkritischer Künstler. Aus seinen Briefen wissen wir etwa, dass seinem ersten Streichquartett-Opus über viele Jahre hinweg an die zwanzig Versuche vorangegangen waren, die er allesamt als ungenügend bewertet und vernichtet hatte.
Besonders lang und mühsam war Brahms’ Weg zur Sinfonie, die im 19. Jahrhundert als die Krönung der Instrumentalmusik galt. Erst nach einer geglückten künstlerischen Selbstvergewisserung in Form der „Haydn-Variationen“ op. 56 aus dem Jahr 1873 gelang es ihm, binnen drei Jahren seine 1. Sinfonie in c-Moll op. 68 abzuschließen, an der er seit 1862 gearbeitet hatte. Die Bedeutung des Stückes wurde von der Uraufführung an allgemein anerkannt. Von nun an arbeitete Brahms stetig und systematisch an großen Orchesterwerken. Es entstanden noch drei weitere Sinfonien und drei von einem großen, sinfonischen Atem getragene Instrumentalkonzerte. Brahms starb am 3. April 1897 in Wien.