Paul Hindemith

Paul Hindemith (1895–1963) war eine Vielbegabung, wie sie in der Musikgeschichte selten ist. Er zählt nicht nur zu den bedeutenden Komponist*innen des 20. Jahrhunderts, sondern war mit zwanzig Jahren Konzertmeister, entwickelte sich zu einem der besten Bratscher seiner Zeit, trat international als Dirigent auf und beherrschte am Ende seines Lebens so gut wie alle Orchesterinstrumente, für die er auch jeweils eigene Sonaten schrieb. In seinem weit verzweigten Schaffen sind zwei Grundgedanken leitend. Hindemith komponierte nicht im luftleeren Raum, sondern orientierte sich an einer konkreten, teils selbst gestellten Aufgabe. Weiter dachte er seine Musik vom Ganzen her, versuchte also weniger, Einfälle zu entwickeln, als vielmehr Lösungen für bestimmte kompositorische Probleme zu finden. Dieser Ansatz hat zu verblüffend vielfältigen Ergebnissen geführt und so gibt es den schrankenlos expressiven Hindemith ebenso wie den reserviert objektiven, den Bewahrer und Fortführer der Tradition ebenso wie den Avantgardisten und schließlich neben dem zutiefst ernsthaften Künstler auch den Humoristen Hindemith.

Hindemith wuchs in finanziell bedrängten Verhältnissen auf. Wie seine beiden Geschwister vom Vater zum Musiker bestimmt, stand eine Karriere als Instrumentalist zunächst klar im Vordergrund gegenüber einem kompositorischen Schaffen. Dies änderte sich schlagartig mit den Erfolgen zweier Kurzopern und eines Streichquartettes binnen weniger Monate im Sommer 1921. Es folgte eine Zeit rastloser Aktivität, in der sich Hindemiths kompositorisches Schaffen und seine Karriere als Solist und Mitglied in einem führenden Streichquartett gegenseitig befruchteten. Gegen Ende der 1920er Jahre war Hindemith der fraglos prominenteste Komponist Deutschlands, der sich dabei nicht zu schade war, an der Musikschule Neukölln auch mit Laien zu arbeiten.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten glaubte Hindemith trotz wütendster Angriffe lange Zeit, in Deutschland bleiben zu können, ohne zu Konzessionen gezwungen zu sein. 1938 war die Situation jedoch unhaltbar geworden. Hindemith emigrierte zunächst in die Schweiz und 1940 weiter in die USA, wo er eine Professur an der Yale University übernahm und mit der Zeit eine ausstrahlungsreiche Lehrtätigkeit entwickelte. Um so größer war die Enttäuschung seiner amerikanischen Freunde und Kolleg*innen, als er sich 1953 entschloss, nach Europa zurückzukehren und sich in der Schweiz niederzulassen. Die Entwicklung der Nachkriegsavantgarde beurteilte Hindemith zutiefst skeptisch und isolierte sich von ihr, blieb im Konzertsaal aber auch im letzten Lebensjahrzehnt unverändert präsent. Er starb am 28. Dezember 1963 in Frankfurt.