Éliane Radigue © Eleonore Huisse
Die Musik der französischen Komponistin Éliane Radigue (*1932) folgt seit Anfang der 1970er Jahre dem Gedanken der allmählichen, subtilen Veränderung von statischen Klangflächen. Auf einer quasi mikroskopischen Ebene sind ihre Stücke in unaufhörlicher, aber kaum wahrnehmbarer Bewegung begriffen. Die dem Hörer zugewandte Makroebene erscheint dagegen stabil, einheitlich und unbeweglich, weil sich die unablässigen Verwandlungsprozesse nur in einer ganz zurückhaltenden Weise auf sie auswirken. Zur Entfaltung dieses Konzepts verlangen die Stücke Éliane Radigues eine hinreichend großzügig bemessene Dauer, in der sie auf den aufgeschlossenen Hörer einen meditativen Sog ausüben können. Dabei arbeitet die Komponistin mit langanhaltenden, kontinuierlichen Klängen ohne pulsierende Bewegung. Im Spektrum der Avantgarde wäre ihr Schaffen so eher in der Nähe von La Monte Young und Giacinto Scelsi als in der von Morton Feldman oder Steve Reich zu verorten.
Éliane Radigue wurde in Paris geboren. In ihrer musikalischen Ausbildung beschritt sie zunächst einen konventionellen Weg und studierte unter anderem Harfe. Wegweisend wurde Mitte der 1950er Jahre die Begegnung mit Pierre Schaeffer, dem Begründer der „musique concrète“, die auf der mit elektronischen Mitteln realisierten Umformung von Alltagsgeräuschen basiert, und seinem langjährigen Mitarbeiter Pierre Henry. Mit beiden arbeitete sie über viele Jahre in mehreren Studios für elektronische Musik zusammen. Nach der Heirat mit dem Künstler Arman zog das Ehepaar 1961 nach New York, wo Éliane Radigue in James Tenney einen weiteren wichtigen Mentor fand, der sie in die Avantgardezirkel der Stadt einführte. Seither führt die Komponistin ein reges Wanderleben zwischen den Kontinenten. Sie hat sich inzwischen in Frankreich niedergelassen, von wo aus sie regelmäßig die USA besucht.
Von kaum zu überschätzender Tragweite für Radigues Schaffen war die Entwicklung des Synthesizers ARP 2500, dessen mittlerweile legendäres Nachfolgemodell ARP 2600 als Software-Emulation in vielen heutigen Musikprogrammen eine neue Existenz führt. Éliane Radigue war eine der ersten, die die Möglichkeit erhielt, mit diesem Synthesizer zu arbeiten, der fortan die technische Grundlage ihres musikalischen Schaffens bildete. Einen wichtigen neuen Impuls erhielt die Komponistin zu Beginn der 2000er Jahre, als sich eine fruchtbare künstlerische Zusammenarbeit mit dem Cellisten Charles Curtis entspann. Seither hat sich ihr kompositorisches Interesse ganz auf akustische Instrumente verlagert.
Stand: Januar 2019