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Yoko Ono war ihrer Zeit voraus – und hat mit ihrem Schaffen seit den 1950er Jahren Kunst, Musik und politischen Aktivismus entscheidend geprägt. Mit der umfassenden Einzelausstellung YOKO ONO: MUSIC OF THE MIND würdigt der Gropius Bau Onos wegweisendes Werk und beleuchtet ihre Rolle in der frühen Konzept- und partizipativen Kunst sowie in Film und Performance.
Die Ausstellung vereint mehr als 200 Arbeiten, darunter Handlungsanleitungen und partizipative Werke, Installationen, Filme, Musik und Fotografien. Sie zeugen von Onos radikalem Ansatz in Bezug auf Sprache, Kunst und Partizipation, der bis in die Gegenwart hineinwirkt. Der Titel der Ausstellung geht auf Onos Konzert- und Veranstaltungsreihe Music of the Mind zurück, die 1966 und 1967 u. a. in London und Liverpool stattfand. „Für mich“, so Ono, „gibt es nur einen einzigen Klang, nämlich den Klang des Geistes. Meine Werke dienen allein dazu, in den Menschen die Musik des Geistes hervorzurufen. […] In der Welt des Geistes breiten sich Dinge aus und transzendieren die Zeit.“ (1966)
YOKO ONO: MUSIC OF THE MIND zeichnet die Entwicklung des innovativen Œuvres der Künstlerin ab Mitte der 1950er Jahre bis heute nach und hebt ihre anhaltende Bedeutung für die zeitgenössische Kultur hervor. Onos Werke werden im ersten Obergeschoss, dem kostenlos zugänglichen Lichthof sowie anderen Bereichen des Hauses zu sehen sein und sich im Rahmen einer Yoko-Ono-Saison in Form weiterer Ausstellungen und Veranstaltungen in die Stadt und den öffentlichen Raum ausbreiten. Die Ausstellung wird darüber hinaus von einem umfangreichen Programm begleitet, das das Schaffen von Yoko Ono aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet.
„YOKO ONO: MUSIC OF THE MIND ist eine perfekte Fortsetzung unseres neuen Programms, durch das der Gropius Bau zu einem Ort für alle werden soll. Yoko Onos spielerischer und partizipativer Ansatz ermöglicht einzigartige Begegnungen mit Kunst und anderen Menschen. So schlicht und intuitiv ihre Arbeiten auf den ersten Blick scheinen, sind sie doch komplex, intellektuell anregend und hochpolitisch. Wir freuen uns, in Zusammenarbeit mit dem Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) und der Neuen Nationalgalerie ihre Kunst in ganz Berlin zu zeigen, damit diese herausragende Künstlerin die Anerkennung erhält, die ihr gebührt.“ — Jenny Schlenzka, Direktorin des Gropius Bau
„Denn zuerst ist da eine Idee und dann stellen wir uns diese Idee als etwas Wirkliches vor. Durch die Vorstellungskraft werden Dinge Wirklichkeit – physische Wirklichkeit.“ — Yoko Ono, 2009
Im Zentrum von Onos Kunst stehen Ideen, die sie oft auf poetische, humorvolle und tiefgründige Weise zum Ausdruck bringt. Die Ausstellung beleuchtet zunächst Onos Schlüsselrolle in der experimentellen Avantgarde-Szene New Yorks und Tokios. In dieser Zeit entwickelt sie ihre sogenannten Instruktionen – knappe Handlungsanleitungen, die dazu einladen, sich ein Werk vorzustellen, es zu erleben, zu erschaffen oder zu vollenden. Einige dieser Instruktionen, wie „FLY“ oder „TOUCH“, bestehen aus einem einzigen Verb. Andere reichen von kurzen Sätzen wie „Listen to a heartbeat“ oder „Step in all the puddles in the city“ bis zu Anleitungen wie „Painting to be constructed in your head”, die allein in der Vorstellung entstehen. Im Gropius Bau werden Besucher*innen mit The Blue Room Event (1966) empfangen, einer Sammlung einfacher Sätze in Onos Handschrift, die sich über den gesamten Raum verteilen. Jedes Wort, jeder Satz soll die Gedanken der Besucher*innen anregen und sie ermuntern, ihre Wahrnehmung der Welt zu hinterfragen.
Für ihre Anleitungen nutzt Ono verschiedene Formen: In der Ausstellung werden bisher unveröffentlichte Fotos und Archivmaterial von Onos ersten auf kurzen Anleitungen basierenden Instruction Paintings (1960–61) in ihrem Loft-Atelier in der Chambers Street 112 in New York gezeigt, wo sie und der Komponist La Monte Young experimentelle Konzerte und Events veranstalteten. In ihrer ersten Einzelausstellung 1961 in der AG Gallery präsentierte sie diese erstmals umfassend. Zudem ist ihr ikonisches, selbstverlegtes Künstler*innenbuch Grapefruit (1964), das ihre zwischen 1953 und 1964 verfassten Anleitungen enthält, in Form eines maschinengeschriebenen Entwurfs vollständig zu sehen.
Das Publikum kann Onos Anleitungen an verschiedenen Stellen in die Tat umzusetzen: Painting to Shake Hands (1961/2025) lädt ein, anderen Menschen die Hand zu schütteln, bei Bag Piece (1964/2025) – welches Ono erstmals bei jenem Konzert in Kyoto performte, bei dem sie auch ihr berühmtes Cut Piece (1964) uraufführte – kann man sich in schwarzen Stoffsäcken verstecken, oder bei Shadow Piece (1963/2025) den eigenen Schatten nachzeichnen.
„Ich wollte ein unvollendetes Werk präsentieren, das andere ergänzen können und nicht nur wiederholen …“
— Yoko Ono, 2001
1966 zog Ono nach London, wo sie fünf Jahre blieb. Hier wurde sie wie in Tokyo und New York Teil eines alternativen Netzwerks aus bildenden Künstler*innen, Musiker*innen und Autor*innen und lernte John Lennon kennen, ihren langjährigen künstlerischen Partner und künftigen Ehemann. Zu sehen sind wichtige Installationen aus ihren richtungsweisenden Ausstellungen in der Indica und der Lisson Gallery, darunter Apple (1966), Ceiling Painting (1966) und Half-A-Room (1967), eine Installation halbierter Haushaltsgegenstände. Onos damals zensierter FILM NO. 4 („BOTTOMS“) (1966–67), den sie als „Friedenspetition“ schuf, wird zusammen mit Teilen ihres wichtigen Vortrags beim Destruction in Art Symposium gezeigt. In diesem beschrieb sie zentrale Aspekte ihrer partizipativen Kunst: das Eventbasierte, das Alltägliche, das Persönliche, das Bruchstückhafte, Unvollständige oder Unfertige, das Auslösen einer kreativen Transformation, das Existieren in einer Fantasie- oder Traumwelt. Zur Teilnahme lädt auch White Chess Set ein: ein Schachspiel mit ausschließlich weißen Figuren und weißen Feldern, dessen Anleitung dazu auffordert, „so lange zu spielen, wie du dich erinnern kannst, wo all deine Figuren stehen“ – ein erstmals 1966 realisiertes Werk, das Onos Antikriegshaltung zum Ausdruck bringt.
„Mit weiblicher Intelligenz und Bewusstsein können wir uns in eine organische, nicht von Konkurrenz geprägte Gesellschaft verwandeln, die auf Liebe statt auf logischem Denken beruht.“
— Yoko Ono, 1972
In Onos Œuvre gibt es Schlüsselmotive, die sie in verschiedenen Jahrzehnten und Medien immer wieder behandelt. Dazu zählt der Himmel, der ihr wiederholt als Metapher für Frieden und Grenzenlosigkeit dient. Als Ono während des Zweiten Weltkriegs als Kind aus Tokio fliehen musste, fand sie in der Allgegenwart des Himmels Trost und Zuflucht. Im Gropius Bau taucht er in der Anleitung Painting to See the Skies (1961) und in der Installation SKY TV (1966/2025) auf, bei der ein Live-Video des Himmels über dem Gropius Bau zu sehen sein wird.
Auch Onos feministische Anliegen durchziehen ihr gesamtes Schaffen, angefangen von frühen Werken wie Cut Piece bis zu wegweisenden Filmen wie FLY (1970–71), in dem sich eine Fliege, von Onos Stimme begleitet, über den nackten Körper einer Frau bewegt, sowie FREEDOM (1970), der Onos vergebliche Bemühungen zeigt, sich von ihrem BH zu befreien. In RAPE (1968–69) stehen wiederum die gewaltvollen Machtdynamiken zwischen filmender und gefilmter Person im Zentrum. Der Film zeigt Nahaufnahmen einer Frau, die – ohne ihre Zustimmung – von einer Handkamera durch die Stadt bis in ihre Wohnung verfolgt wird, und verdeutlicht das Machtgefälle zwischen männlichem Blick und weiblichem „Objekt“ der Begierde. Onos Musik, die in einem eigenen Bereich der Ausstellung zu hören ist, setzt diesen Gewalterfahrungen mit Hymnen wie Sisters O Sisters (1972), Woman Power (1973) und Rising (1995) feministisches Empowerment entgegen. Diese Lieder sollen Frauen bestärken, eine neue Welt zu erschaffen und mutig und zornig zu sein.
Gerahmt von Onos späteren Aufführungen von Performances wie Cut Piece (2003) und WHISPER (2013) sowie der Soundarbeit Will I (1995), endet die Ausstellung mit My Mommy Is Beautiful, erstmals 2004 realisiert. In der raumgreifenden Installation können Besucher*innen Fotos ihrer Mütter sowie persönliche Botschaften hinterlassen. Dieses Werk ist nicht nur ein temporäres Denkmal für all jene, die wir Mütter nennen, sondern thematisiert auch, was es heißt, eine Mutter zu sein. Onos feministisches und aktivistisches Spätwerk reflektiert ihre persönlichen Erfahrungen und fordert Gedanken und Reaktionen zu Mutterschaft, dem Älterwerden und der Vergänglichkeit heraus. Dabei rücken Themen wie Hoffnung, Stärke und Verlust in den Vordergrund.
„Künstler*innen können die Welt in eine Utopie verwandeln, in der alle völlige Freiheit genießen.“ — Yoko Ono, 1971
Ono hat ihre Kunst und weltweite Medienpräsenz zunehmend dafür genutzt, um sich für Frieden und humanitäre Kampagnen einzusetzen, anfangs noch gemeinsam mit ihrem später ermordeten Ehemann John Lennon. Die Plakatwand-Kampagne WAR IS OVER! IF YOU WANT IT (1969) beispielsweise greift Werbesprache auf, um eine Friedensbotschaft zu verbreiten. Der Film BED PEACE (1969) dokumentiert das zweite ihrer beiden „Bed-Ins“ in Montreal, bei dem das Paar mit der internationalen Presse sprach, um angesichts des Vietnamkriegs für Frieden zu werben. Der Gropius Bau wird zudem Onos partizipative Installation Add Colour (Refugee Boat) zeigen, die erstmals 2016 realisiert wurde. Hier ist das Publikum aufgefordert, ein weißes Boot, Wände und Fußboden mit weißer und blauer Farbe zu versehen und dabei über drängende Fragen von Krisen und Vertreibung nachzudenken.
Im öffentlich zugänglichen Lichthof des Gropius Bau sind ein Banner aus Onos fortlaufender Kampagne PEACE is POWER (2017/2025) sowie ihre Installation Wish Tree for Berlin (1996/2025) zu sehen. Sie lädt die Besucher*innen ein, ihre Friedenswünsche auf kleine Zettel zu schreiben und an die Zweige eines der insgesamt neun Bäume zu binden. Zudem gibt es Platz zum Sitzen, Schreiben und Ausruhen und damit Raum, über Frieden als positive und treibende Kraft nachzudenken. Nach dem Ende der Ausstellung werden die Wünsche eingesammelt, der Künstlerin übergeben und im Rahmen ihres Werks IMAGINE PEACE TOWER in Island fortbestehen.
„Ich liebe Berlin und war schon so oft hier. Berlin ist Teil meines Körpers!“ — Yoko Ono, 2013
Zu Berlin hat Yoko Ono eine besondere Beziehung. Sie nannte die Stadt einmal einen „Ort, an dem die Menschen meine Kunst verstehen“ (2010). Ihren 80. Geburtstag feierte Ono 2013 mit einem Konzert der Plastic Ono Band an der Berliner Volksbühne, die sie „wegen Bertolt Brecht ausgesucht“ (2013) hatte. Onos vielseitiges Schaffen wird in einer Yoko-Ono-Saison über den Gropius Bau hinaus in der Stadt zu sehen sein: Der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) zeigt ab Anfang März ihre Arbeit TOUCH (1962/2025) im Rahmen seiner n.b.k. Billboard-Reihe an der Kreuzung Friedrichstraße/Torstraße, während die Neue Nationalgalerie mit der Ausstellung YOKO ONO: DREAM TOGETHER Ideen des Miteinanders und den Friedensaktivismus in Onos Œuvre beleuchtet.
Yoko Ono ist Künstlerin, Musikerin und Aktivistin. Sie wurde 1933 in Tokio geboren und wuchs in Japan auf, zeitweilig auch in San Francisco und New York. 1956 zog sie nach Manhattan, wo sie sich künstlerisch zu entfalten begann. Bereits 1960 war Ono eine prägende Figur der New Yorker Künstler*innen- und Komponist*innenszene. Im folgenden Jahrzehnt lebte sie in Tokio und London, entwickelte ihr visionäres Werk in den Bereichen Kunst, Performance, Musik und Film weiter und schuf so ikonische Werke wie Cut Piece und ihr Buch Grapefruit (beides 1964) sowie FILM NO. 4 („BOTTOMS“) (1966–67) und FLY (1970–71) (Film und Album).
1968 begann Ono ihre künstlerische, musikalische und aktivistische Zusammenarbeit mit ihrem künstlerischen Partner und Ehemann John Lennon. Als Sängerin und Songschreiberin hat Ono 13 Solo-Studioalben veröffentlicht und an neun weiteren Alben mitgewirkt, darunter Double Fantasy, das 1981 als Album des Jahres einen Grammy erhielt.
Onos Werk wird weiterhin mit zahlreichen Ausstellungen in einigen der renommiertesten Museen der Welt gewürdigt, darunter das Museum of Modern Art in New York (2015), das Museum of Contemporary Art in Tokio (2015), das MAC in Lyon (2016), die Tate Modern in London (2024) und viele andere.
YOKO ONO: MUSIC OF THE MIND wird organisiert von der Tate Modern, London, in Zusammenarbeit mit dem Gropius Bau, Berlin, und der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf.
Die Ausstellung wird kuratiert von Patrizia Dander, stellvertretende kuratorische Direktorin, Gropius Bau, und Juliet Bingham, Kuratorin, International Art, Tate Modern, mit Sonja Borstner, Assistenzkuratorin, Gropius Bau, und Andrew de Brún, Assistenzkurator, International Art, Tate Modern.
Anlässlich von YOKO ONO: MUSIC OF THE MIND zeigt die Neue Nationalgalerie vom 11. April bis 24. September 2025 YOKO ONO: DREAM TOGETHER. Zeitgleich präsentiert der Neue Berliner Kunstverein (n.b.k.) vom 2. März bis 31. August 2025 im Rahmen der n.b.k. Billboard-Reihe das Werk TOUCH von Yoko Ono.
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