Die „School for Dissident Friendship“ ist ein intensives dreiwöchiges Studienprogramm, das im Rahmen des Festivals „Performing Exiles“ in Berlin stattfindet. Achtzehn Künstler*innen und Kulturschaffende haben die Möglichkeit an Workshops, Seminaren, Mentoring-Sessions und Besuchen von Kulturinstitutionen teilzunehmen und ihre künstlerische Praxis im interdisziplinären Austausch weiterzuentwickeln.
Die „School for Dissident Friendship“ arbeitet nach dem Prinzip der „dissidentischen Freundschaft“, ein Begriff, den die Wissenschaftlerin Leela Gandhi in ihrem Buch „Affective Communities“ (2005) als „alle affektbedingten Gesten, die sich der Anpassung verweigern“ definiert. Hier dient er als Ausgangspunkt von dem aus künstlerische Praktiken betrachtet werden, die versuchen, bestehende Machtstrukturen durch die Mobilisierung von Solidarität jenseits aller Unterschiede zu erörtern und zu hinterfragen. Gandhi setzt im Sinne des französischen Philosophen Jacques Derrida und seiner „Politiques de l'amitié (Politik der Freundschaft)“ (1994) die oftmals idealisierte Vorstellung von ‚Freundschaft‘ als Metapher für „dissidentische interkulturelle Zusammenarbeit“ ein und fordert uns auf, vergangene wie auch aktuelle Experimente von anti-kolonialem Widerstand und Commoning aus einer affektiven Perspektive zu betrachten.
Wenn es nach Derrida „kein denkendes Wesen […] außer in der Freundschaft“ gibt, dann stellt sich die Frage: Wie stellt man transformative Formen der Gemeinsamkeit her? Welche Gründe bewegen Menschen, sich einem politischen Kampf zu verpflichten, der ihre eigene gesellschaftliche Position nicht eindeutig reflektiert? Was und wer wird gebraucht, damit ein historisches Bewusstsein dauerhaft bestehen bleibt? Wie können Verbindungen geschaffen und durch einen Appell zu lebensbejahenden Infrastrukturen für künftige Generationen gestärkt werden?
Diese Überlegungen sind gerade zurzeit von zentraler Bedeutung, denn in Berlin finden sich weiterhin unterschiedliche diasporische und transnationale Communities mit direkten oder indirekten Beziehungen zu Ländern ein, die von Umbrüchen und multiplen Krisen betroffen sind. Auch wenn diese Gruppen durch sich in verschiedenem Maße ähnelnde Affekte – Sehnsucht, ein Gefühl des Festsitzens, Ambivalenz – einen Raum besetzen mögen, der zugleich Exil und Heimat bedeutet, können sich ihre politischen Tätigkeiten durchaus in einem Spannungsverhältnis gegenüberstehen. Wenn die Risse zwischen den gelebten Erfahrungen von Exil scheinbar nicht zu überbrücken sind, welche Formen ästhetischer Mediation und Intervention könnte man dann erdenken, um Elemente der Zugehörigkeit nicht nur lesbar, sondern auch produktiv zu machen?
Die „School for Dissident Friendship“ wird mit Freundschaft, Zusammenarbeit und kollektiven Autorenschaft agieren und, ausgehend von diasporischen Bemühungen um Selbstbestimmung in der Geschichte Berlins, reflektieren, wie globale künstlerische Praktiken politische Verflechtungen und gegenseitige Abhängigkeiten über alle geographischen und zeitlichen Parameter hinweg artikulieren können.
Ashkal Alwan unternimmt angesichts einer beispiellosen Migrationswelle im Libanon und dem größeren arabischsprachigen Raum und in einem Umfeld, das durch ökonomische Enteignung und kulturelle Isolation geprägt ist, große Anstrengungen. Die Berliner Festspiele haben die Organisation daher eingeladen, gemeinsam die „School for Dissident Friendship“ mit zu entwerfen.
Die gemeinnützige Organisation Ashkal Alwan wurde 1993 mit dem Ziel gegründet, zeitgenössische künstlerische Praxis zu unterstützen, Kunsterziehung neu zu denken, kritisches Nachdenken über gesellschaftliche Entwicklungen zu fördern und sich für die Mobilisierung der lokalen Communities einzusetzen. Ein Kollektiv von Künstler*innen, Autor*innen und Aktivist*innen hatte die Organisation zunächst als einen Ort geplant, an dem Kunst als Vehikel für bürgerschaftlichen Dialog verstanden wird. Ihr Vermittlungsprogramm Home Workspace Program, das derzeit seine 13. Auflage erlebt, ist weiterhin ein zentrales Instrument bei der Entwicklung alternativer künstlerischer Ausbildungsweisen.
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