Vortrag

Arseni Roginski

Erinnerung und Freiheit oder Wie viele Vergangenheiten existieren in Russland?

Rede des Historikers und Menschenrechtlers
Einführung: Joachim Sartorius

Arseni Roginski

Arseni Roginski © Bernardo Pérez

Arseni Roginski, 1946 geboren, arbeitete als Bibliograf, Lehrer und Historiker. 1981 wurde er zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er im Ausland Dokumente über die Geschichte des Gulag veröffentlicht hatte. Roginski gehört zu den Mitgründern der Menschenrechtsorganisation Memorial, seit 1996 ist er ihr Vorsitzender. Memorial gehören rund 80 unabhängige Organisationen auf dem Territorium der ehemaligen UdSSR sowie in Polen und in Deutschland an. Memorial engagiert sich für die Vorstellung von der Geschichte als unzertrennbare Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, will das Andenken an die Opfer des Totalitarismus bewahren und tritt für deren Rehabilitierung ein.

»Die Erinnerung an den Stalinismus ist im heutigen Russland ein ebenso aktuelles wie heikles Thema«, weiß Arseni Roginski. In Russland zählt Stalin zu den drei »herausragenden Persönlichkeiten aller Zeiten«, neuere Schulbücher rechtfertigen seine Politik. Offenbar haben unzählige Dokumente und Bücher zum Staatsterror des Stalinismus nur wenig Einfluss auf das kollektive Gedächtnis. Roginski ist davon überzeugt, dass sich die kollektive Identität in ihrem Verhältnis zur Vergangenheit formt und diagnostiziert besorgt: »Wenn wir von einem historischen Gedächtnis in Russland sprechen können, dann von einem zersplitterten, fragmentierten, aussterbenden und an den Rand des kollektiven Bewusstseins gedrängten«.

Arseni Roginski nahm 2002 für Memorial den Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte entgegen, 2010 wurde Roginski mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.