
Ausstellung
Ausstellungsplakat „Omer Fast »Reden ist nicht immer die Lösung«“. Motiv: Omer Fast: August, 2016. single screen, 3D projection Courtesy Galerie Arratia Beer / gb agency / Dvir Gallery / James Cohan Gallery / Filmgalerie 451 © Omer Fast. Plakatgestaltung Ta-Trung
„Ich bin daran interessiert, eine eigene kleine Welt zu erschaffen und sich in dieser Welt zu verlieren.“
Omer Fast
Omer Fast (* 1972) gehört zu den markantesten Film- und Videokünstlern seiner Generation. Er kreiert in seinen Filmen eine Narration, die die Grenzen zwischen eigener und medialer Erzählung sowie aktueller und historischer Ereignisse in Frage stellt. Sein Werk verweist auf das Spannungsverhältnis zwischen Dokumentation und Fiktion. Der Martin-Gropius-Bau zeigte sieben seiner Projekte in einer ersten großen Soloausstellung in Berlin.
Zu sehen waren: CNN Concatenated von 2002, Looking Pretty for God (nach G.W.) von 2008, 5000 Feet is the Best von 2011, Continuity von 2012, Everything That Rises Must Converge von 2013, und Spring von 2016 sowie eine neue Arbeit mit dem Titel August von 2016. Dieses filmische Werk wurde in 3D aufgenommen und stellt das Leben und Werk des bekannten Kölner Fotografen August Sander (1876-1964) ins Zentrum. In surrealen Traumsequenzen wird der Künstler am Ende seines Lebens vom Tod seines Sohnes und seiner fotografierten Figuren heimgesucht. Verbunden wurden die sieben Videowerke durch drei inszenierte Warteräume, ähnlich derer beim Arzt, am Flughafen oder bei der Ausländerbehörde. Der Künstler hat sie für den Martin-Gropius-Bau konzipiert.
Fast erzählt in seinen filmischen Kunstwerken Geschichten von Trauma, Krieg und Beziehungen. Es ist stets bearbeitetes Material. Doch nichts ist verlässlich: keine Figur, kein Erzähler, kein noch so authentisches Filmmaterial. Alles ist konstruiert. Alles, was wir zu wissen glauben, könnte auch ganz anders sein. Fast, der in Israel und den Vereinigten Staaten aufgewachsen ist und seit 2001 in Berlin lebt, stellt in seinen Arbeiten die Konventionen des Storytellings in Frage. Omer Fasts Filme sind mehr als Gedankenexperimente oder Spiele zwischen Erzählung und Inszenierung. Sie sind beklemmend und berührend zugleich.
Zusätzlich zu den Filmprojektionen, in den dafür herkömmlich verdunkelten Räumen, gestaltete der Künstler drei Ausstellungsräume als Warteräume. Omer Fast selbst verbrachte viel Zeit in Warteräumen, und die daher oft sein Studio erweitert, ja sogar ersetzt haben: die Wartehalle am Flughafen, das Wartezimmer beim Arzt und das der Ausländerbehörde. Als helle alternative Räume, um einige frühere Arbeiten des Künstlers auf Monitoren zu zeigen, und als Ort, an dem Performances und Interventionen für die Ausstellung geplant sind, waren die drei Warteräume ein integraler Bestandteil von »Reden ist nicht immer die Lösung«.
Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau fand im Rahmen des Programms „Immersion. Analoge Künste im digitalen Zeitalter“ statt. „Immersion“ war ein Programm der Berliner Festspiele, das auf drei Jahre angelegt war. In ihm wurden in regelmäßiger Folge künstlerische Arbeiten zur Aufführung und Ausstellung gebracht, denen man nicht mehr gegenüber steht, sondern die man betritt und somit Teil von ihnen wird – als Performance oder Skulptur, Choreografie, Narrative Space oder Virtual Reality Experience.
Seine im Martin-Gropius-Bau zu sehenden Werke im Einzelnen:
CNN Concatenated 2002 (18 Minuten, Monitor, im Loop)
In CNN Concatenated fügt Omer Fast eine große Auswahl an Material des Fernsehsenders CNN zusammen: Männliche und weibliche Sprecher, Reporter und Wetterkommentatoren flimmern über den Bildschirm. Ihre Sätze sind so fragmentiert, dass jeder von ihnen immer nur ein Wort sagen kann, bevor er wieder von der Bildfläche verschwindet. Aus einer Datenbank mit zehntausend Clips sind die Wörter zu schnellen, ruckartig aneinandergereihten Sätzen zusammengestellt, die direkt und sehr persönlich an den Betrachter adressiert sind. Fast begann die Arbeit Ende 2000 und brauchte zwei Jahre bis zur Fertigstellung. Damit ist die Arbeit eine Art Zeitkapsel, die den Wandel der Berichterstattung vor, während und nach dem 11. September 2001 zeigt und dabei mit den übernommenen Nachrichten einen Monolog über Angst und Sehnsucht hält.
Looking Pretty for God (nach G.W.) 2008 (28. Min, Monitor, im Loop) ist eine nüchterne Dokumentation, in der nordamerikanische Bestatter über ihre Arbeit sprechen. Als Experte für den letzten öffentlichen Auftritt eines Verstorbenen ist der Bestatter gleichzeitig Maskenbildner, plastischer Chirurg, Trauerberater, Eventplaner und Magier in einem. Während die Kamera die großen leeren Bestattungsräume, in denen diese Männer arbeiten, filmt, tauchen manchmal kleine Kinder auf, um uns zu erklären, was wir sehen.
5000 Feet is the Best 2011 (30 Minuten, Ein-Kanal-Videoinstallation, im Loop) uraufgeführt auf der 52. Venedig Biennale, basiert 5000 Feet is the Best auf Gesprächen mit einem US-Predator-Drohnenpiloten, die in einem Hotel in Las Vegas aufgenommen wurden. Bei laufender Kamera erzählt der Drohnenoperator von den technischen Aspekten seines Jobs und seiner täglichen Routine. Ohne laufende Kamera oder Aufzeichnung beschreibt er kurz einen Vorfall, bei dem das unbemannte Flugzeug auf Kämpfer und Zivilisten schießt. Der Film bewegt sich fließend von einer Dokumentation zu einem Reenactment und schließlich zur Fiktion, indem er die Szenen des Drohnenoperators mit der Kriminalität in und um Las Vegas vermischt.
Continuity 2012 (40 Minuten, Ein-Kanal-Videoinstallation, im Loop), eine Arbeit, die auch auf der Documenta 13 gezeigt wurde, folgt einem jungen deutschen Soldaten, der nach seinem Wehrdienst aus Afghanistan nach Hause zurückkehrt. Das familiäre Umfeld mit den emotionalen Eltern weicht bald einer Reihe von Anomalien und wird nach und nach pervers und unheimlich. Es bleibt unklar, ob das Paar einen echten Verlust erleiden musste oder ob sie ein obsessives Ritual ausüben, das sie zusammen hält. Insgesamt verbringen drei verschiedene Söhne die Nacht im Haus. Jeder verschwindet auf mysteriöse Weise.
Everything That Rises Must Converge 2013 (4-Kanal-Videoinstallation, 56 Minuten) zeigt einen Arbeitstag in Los Angeles und verwebt unter Einbeziehung mehrerer Charaktere Dokumentationsmaterial und fiktive Szenen miteinander. Die dokumentarische Komponente folgt vier echten Pornodarstellern in deren Alltag, der bei ihnen Zuhause beginnt, wenn sie aus dem Bett aufstehen, über den Tag hinweg, bis sie schließlich wieder nach Hause kommen und nachts ins Bett gehen. Auf dem gesamten Weg können wir fiktiven Charakteren begegnen, die am Set des Pornodrehs erscheinen: ein Pornoregisseur, der Trauma in Kunst ummünzt, ein Ehepaar, das sich mitten in der Krise befindet, und eine Schauspielerin, die ihre Rolle hinterfragt.
Spring 2016 (44 Minuten, Fünf-Kanal-Videoinstallation, im Loop) wird auf fünf miteinander verbundenen Monitoren gezeigt – sie ist ein Porträt von zwei jungen deutschen Männern, deren Leben sich gewaltsam kreuzt. Ein Teenager findet einen Weg, um sich etwas Geld zu verdienen, indem er ein Paar mittleren Alters besucht und deren Sohn spielt. Auch ein älterer Callboy wird von dem Paar engagiert, verschwindet aber, nachdem er hier eine Bäckerei besucht. Die Arbeit springt in der Zeit vor und zurück und zeigt Charaktere, die verloren sind und wieder Anschluss suchen, bis sie schließlich ein überraschendes Ende mit zwei verschiedenen Perspektiven erreicht. Spring ist ein Begleitwerk zu Fasts früherem Film Continuity (2012), der auch in der Ausstellung gezeigt wird.
August 2016
Ausgangspunkt des in 3D aufgenommenen neuen Projektes sind Leben und Werk des bekannten Kölner Fotografen August Sander (1876-1964). In surrealen Traumsequenzen wird der Künstler am Ende seines Lebens vom Tod seines Sohnes und seiner fotografierten Figuren heimgesucht.
Zusätzlich zu den Filmprojektionen, in den dafür herkömmlich verdunkelten Räumen, wird der Künstler drei Ausstellungsräume als Warteräume gestalten. Omer Fast selbst verbrachte viel Zeit in Warteräumen, die daher oft sein Studio erweitert, ja sogar ersetzt haben: die Wartehalle am Flughafen, das Wartezimmer beim Arzt und das der Ausländerbehörde. Gedacht als Wartebereich für erschöpfte Ausstellungsbesucher, als helle alternative Räume, um einige frühere Arbeiten des Künstlers auf Monitoren zu zeigen, und als Ort, an dem Performances und Interventionen für die Ausstellung geplant sind, werden die drei Warteräume ein integraler Bestandteil von »Reden ist nicht immer die Lösung« sein.
Veranstalter: Berliner Festspiele / Martin-Gropius-Bau.
Die Ausstellung findet im Rahmen des Programms „Immersion. Analoge Künste im digitalen Zeitalter“ statt.
Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Mit freundlicher Unterstützung:
Kurator: Gereon Sievernich
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