Inszenierung

Flügelschläge

Ein Projekt der Reihe Schule.Spiel.Theater
Kooperation zwischen der Berufsbildenden Schule Haarentor, dem Bildungszentrum für Technik und Gestaltung und dem Oldenburgischen Staatstheater

Mehrere Personen liegen auf einer Matratze in der Mitte der Bühne. Um die Matratze herum liegen Steine und Kohle. Im Hintergrund stehen weitere Personen im Halbkreis um sie herum, zwei von ihnen haben Engelsflügel.

Produktion Flügelschläge, entstanden im Rahmen der Reihe Schule.Spiel.Theater. © Lukasz Lawicki

16 junge Menschen zeigen Momente des Erwachsenwerdens. Dabei werfen sie einen Blick in die Antike: Der Vater-Sohn-Konflikt aus der Sage von Dädalus und Ikarus wird in die Luft gewirbelt. Der Götterbote Hermes tritt in vielfältiger Gestalt auf und liefert jede Menge nicht bestellter Pakete. „Tschüss Kindheit“ sagt Ikaros mit vielen Stimmen und stößt sich vom grauen Stein ab. Es wird mit unbekannten Flügeln geschlagen: Richtung Sonne, immer weiter, immer höher. Ein Absturz scheint nicht unwahrscheinlich, doch viel größer als die Angst, ist die Lust auf Sonne im Leben und einen weiten Horizont.

Verfügbar ab 4.6.2025 als Video on Demand in der Mediathek.

Wirst du auf einen Schlag erwachsen? Oder sind es mehrere Versuche? Verleiht erwachsen werden Flügel? Wohin fliegst du und kannst du zu weit fliegen? Bedeutet erwachsen sein, sich auf dem Boden der steinigen Tatsachen einzurichten? Wie findest du ein Zuhause, in dem du „Ich“ sein kannst?

In der antiken Sage von Dädalus und Ikarus leben Vater und Kind auf einer Insel. Wir stellen uns das so vor:
Der Vater ist ein großer Baumeister und Erfinder, sein Kind ist schwer gelangweilt. Jeden Tag passiert das gleiche, die Insel ist klein und der Horizont sieht immer gleich aus. Zum Glück liefert die göttliche Gestalt Hermes jede Menge nicht bestellter Pakete an Ikarus. Ein Hauch von Glitzer, eine Ahnung von Verwandlung und eine Frage: Kann ich alles sein? Papa findet: nein. Und außerdem: Wer soll das bezahlen? Es entsteht Streit, es gibt auf allen Seiten Verletzungen, es geht um die Sehnsucht nach einem Leben, das woanders stattfindet, um eine erste flüchtige Liebe und die Frage, welche Zukunft überhaupt denkbar ist, wenn alles um uns herum zerstört wird.

Das Ensemble setzt sich aus Schüler*innen der Berufsbildenden Schule Haarentor (Sprache und Integration) und der Fachoberschule des Bildungszentrums für Technik und Gestaltung zusammen. Im Rahmen der Reihe „Schule.Spiel.Theater“ wurde von September 2024 bis Januar 2025 einmal wöchentlich im Probenraum des Theaters geprobt. In dieser Zeit sind wir mehr oder weniger zusammen wach geworden, sehr oft und unterschiedlich durch den Raum gegangen, haben Fragen an uns und unsere Eltern gestellt, fliegen und fallen geübt, Bruchstücke von uns kennengelernt, Vorträge über Steine gehört und in unterschiedlichen Sprachen über Wut und Einsamkeit gesprochen.

Jurykommentar

Mit ausgebreiteten Flügeln und neuem Tatendrang gehe ich aus der Inszenierung „Flügelschläge“. Ein Gefühl, das nachhallt. Ein Stück, das über den Theaterabend hinaus berührt.
Mit „Flügelschläge“ hebt ein außergewöhnliches Theaterprojekt ab: 16 junge Erwachsene bringen gemeinsam mit dem Oldenburgischen Staatstheater, der Berufsbildenden Schule Haarentor und der Fachoberschule des Bildungszentrums für Technik und Gestaltung im Rahmen der Reihe „Schule.Spiel.Theater“ ein Stück auf die Bühne, das nicht nur berührt, sondern Brücken schlägt – zwischen Sprachen, Kulturen, Generationen und Lebenswelten.

Viele der Spieler*innen stehen zum ersten Mal auf der Bühne – einige lernen erst seit wenigen Monaten Deutsch, andere sind hier aufgewachsen, doch alle eint das Bedürfnis, ihre Geschichte zu erzählen. Inspiriert von der griechischen Sage um Dädalus und Ikarus und ergänzt durch die göttliche Figur des Hermes, erzählen sie von den ersten Schritten ins Erwachsenwerden – von Verletzungen, Versöhnungen, Neugier, Aufbruch, Angst und Hoffnung.

Was bedeutet es, erwachsen zu werden? Eine Frage, die ich mir im Laufe des Abends immer wieder stelle – und auf die es viele, ganz persönliche Antworten gibt. Es geht um die Loslösung von den Eltern, um erste Liebesgeschichten, um Zukunftsängste in einer Welt, die oft erschreckend instabil scheint. Doch bei aller Schwere gelingt es dem Ensemble, mit Leichtigkeit, Humor, Musik und Tanz eine Geschichte zu erzählen, die zum Träumen einlädt. Eine Geschichte, die berührt, begeistert, herausfordert – und dabei immer eine große Sehnsucht spürbar macht: nach Selbstbestimmung, Zugehörigkeit und einer Stimme, die gehört wird.

Diese Gruppe begegnet sich – und ihrem Publikum – mit großer Offenheit, Wärme und echtem Miteinander. Sie haben einen Raum geschaffen, in dem Vertrauen, Mitgefühl und gegenseitige Unterstützung nicht nur Schlagworte, sondern gelebte Realität sind. Ein Ort, an dem Begegnung möglich wird, Veränderung beginnt und Hoffnung spürbar ist.

„Flügelschläge“ entführt in eine andere Welt – eine, in der Träume erlaubt sind. Eine, in der das erste Flügelschlagen nicht das Ende, sondern der Anfang ist. Ein Abend, der Gänsehaut macht. Der zum Lachen bringt, zum Weinen, zum Nachdenken.

Lene Wollwerth

Mit

Lejsa Adrović, Ole Agthe, Ilona Iozefine Bundic, Viktoriia Dashukova, Jule Dresler, Levin Fortmeier, Nagham Jabboulieh, Liam Lengle, Julian Mauder, Anawar Omar Mohamud, Vitalii Peterherin, Alamira Sabr Albarrak, Denis Sotoc Mañas, Pavlo Stasiuk, Yevhenii Vlasov, Felix Wegener

Lina Joost-Krüger, Hanna PukaRegie
Karoline Khan, Margit OsternSchulische Projektleitung
Georgios KoliosBühne, Video
Tom StellamannsKostüm
Olaf BrunkhorstLicht
David MassonetTon
Richard Schneider – Video Operator
Peter RechSoundtrack, Postproduktion