Inszenierung

Global Player

Theater des Bellevue di Monaco

Eine Gruppe Menschen kniet vor einer Projektion mit jeweils einem Fußball unter dem Arm.

Die „Global Player“ sind bereit für das Spiel. © Judith Buss

Globale Wirtschaftsakteure können grenzenlos handeln, für Geflüchtete werden die Grenzzäune dagegen immer höher. Bei ihrer Überwindung erbringen die Flüchtenden Höchstleistungen, bewältigen lange Wege, überqueren Meere, springen über Mauern und legen fast olympische Leistungen an den Tag. Sie sind die wahren Global Player.

Verfügbar ab 2.5.2025 als Video on Demand in der Mediathek.

In dem neuen Stück der Theatergruppe des „Bellevue di Monaco“ geht es um Global Player, um Konzerne, um weltbekannte Fußballspieler*innen und um Geflüchtete, die weltweit unterwegs sind und Grenzen überschreiten. Im herkömmlichen Sinne bezieht sich der Begriff auf Wirtschaftsakteure, die am internationalen Wettbewerb teilnehmen und weltweit eine Vormachtstellung einnehmen. 

Die Idee zu dem Stück entstand durch ein Gespräch mit Rüdiger Heid, der vor 25 Jahren die Straßenfußball-Liga „buntkicktgut“ gründete. Dabei erzählte er von Muhammed, der als junger Geflüchteter in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Rosenheim lebte und den Landkreis nicht verlassen durfte. Muhammed fuhr oft heimlich nach München, um bei „buntkicktgut“ zu trainieren. Er hatte gute Chancen, in ein Leistungszentrum aufgenommen zu werden, war beim FC Bayern München und anderen Profivereinen im Gespräch. Da sich sein Aufenthaltsstatus nicht verbesserte, entschied er sich eines Tages, weiter nach Schweden zu ziehen. Ohne Pass und ohne Geld überquerte er Grenzen – wie viele andere Geflüchtete, die gezwungen sind, auf unsicheren Wegen nach Perspektiven zu suchen. Er hat als junger Mensch allein eine Reise unternommen, die Mut und Entschlossenheit erforderte – Eigenschaften, die auch international agierende Wirtschaftsakteur*innen kennzeichnen. Doch im Unterschied zu ihnen, die freiwillig und strategisch über Grenzen hinweg operieren, sind es bei Geflüchteten oft existenzielle Notwendigkeiten, die zu solchen Grenzüberschreitungen führen.

Während wirtschaftliche Akteur*innen vielfach von der Öffnung nationaler Grenzen profitieren, sehen sich Schutzsuchende mit immer höheren Hürden konfrontiert. Die Außengrenzen der EU werden zunehmend militarisiert und abgeschottet, und dennoch entscheiden sich viele Menschen dazu, diese gefährlichen Wege auf sich zu nehmen. Sie überwinden enorme Distanzen, überqueren Meere und riskieren ihr Leben – oftmals unter Bedingungen, die extreme körperliche und psychische Belastungen mit sich bringen.

Diese Wege zeugen von außergewöhnlicher Widerstandskraft und einem tief verwurzelten Willen zur Zukunft. In einer Welt globaler Mobilität sind es diese Menschen, die unter großen Risiken Grenzen überschreiten und damit auf ganz eigene Weise Teil eines globalen Geschehens werden.

Jurykommentar

Fußball und Theater. Theater und Fußball. Ob die beiden Aktivitäten wohl irgendetwas gemeinsam haben? Eigentlich sind sie sich sogar sehr ähnlich, außer vielleicht, wenn es um gesellschaftliche Relevanz geht? Fußball ist allseits bekannt und heiß geliebt. Auf allen Teilen der Welt sind bestimmte Mannschaften und Fußballspieler*innen große Idole. Erfolgreiche*r Fußballspieler*in zu sein wird häufig mit Ruhm und Reichtum assoziiert. Ruhm gibt es auch im Theater abzustauben. Reichtum eher weniger. Die Idee der Theatergruppe des „Bellevue di Monaco“, Fußball und Theater gemeinsam zu denken, ist eine besonders brillante. Denn sie beweist, wie inklusiv und anschlussfähig Theater sein kann. Schon zu Beginn des Stückes gelingt es den Schauspieler*innen eine Nähe zum Publikum zu schaffen, indem sie über Heldenfiguren sprechen, die wir alle kennen: Messi, Ronaldo, Müller. Das Publikum jubelt, hört zu, ist sofort dran an der Erzählung. Und in dieser Erzählung setzen sich Karim Aldiri, Arya Durrani-Gill, Eyob Getachew, Fatemeh Hassani, Tracey Igbinosun, Henry John, Jochanah Mahnke, Pelagea Mohilnik und Mohammed Reda Talebi mit den Machtmechanismen von Fußball auseinander. Sie durchleuchten Unterschiede der Anerkennung und des Erfolgs im Frauen- und Männerfußball. Sie erzählen von den Träumen Vieler, entdeckt und in den Profifußball aufgenommen zu werden – in der Hoffnung, so wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ungleichheit zu entkommen. Diese Menschen sind Global Player: sie mischen mit auf dem internationalen Markt und bewegen sich unabhängig von Grenzen.  Ähnliche Grenzgänger*innen, also Global Player, sind aber auch die Schauspieler*innen dieser Inszenierung, denn sie lassen uns an ihren Geschichten teilhaben, die von Notständen handeln, von Fluchterfahrungen und Versuchen, Privilegien zu erlangen, die einem bewusst verwehrt werden. Sie werden zu Held*innen, die das Publikum ähnlich bewundert und feiert, wie ihre Fußballikonen.

Das alles sind komplexe Themen, vor denen manch eine*r zurückschrecken mag, weil sie treffen: ins eigene Verantwortungsbewusstsein, in die eigenen Privilegien. Und doch schreckt das Publikum nicht zurück, denn die Spielart der jungen Schauspieler*innen ist energiegeladen, authentisch und sehr charmant. Wenn sie immer wieder probieren über die Rampe des Fußballfeldes zu springen, um auch dabei zu sein, wenn sie ihre Fußballikonen feiern, wenn sie sich von Genderstereotypen im Fußball lossagen, wenn sie sich in ihrem Mut, scheinbar normierte Grenzen zu überschreiten, empowern – zahlreich sind die Momente, in denen das Publikum gebannt am Geschehen hängt, wie echte Fußballfans eben.
In der Symbiose von Theater und Fußball gelingt es den Akteur*innen von „Global Player“, strukturelle Fragen mitreißend, barrierearm, mit spielerischer Leidenschaft und Freude an theatralen Mitteln zu bearbeiten. Solch ein politisches Theater sollte es häufiger geben!

Antigone Akgün

Von und mit

Karim Aldiri, Arya Durrani-Gill, Eyob Getachew, Fatemeh Hassani, Tracey Igbinosun, Henry John, Jochanah Mahnke, Pelagea Mohilnik, Mohammed Reda Talebi

Christine Umpfenbach, Denijen PauljevićLeitung
Roubs StyleKostüm
Xaver UnterholznerBühne
Gündalein, ESC RillaHip-Hop-Songs
Virat Läm PhetnoiChoreografie
Patrik ThomasVideo
Alejandro NietoTon
Nick Pugh, Jakob SeebergerSound
Michi PohorskyLicht
Jakob SeebergerRegieassistenz