Inszenierung
Jugendensemble 24
jugendtheaterwerkstatt Spandau e.V.
Das Ensemble von Project Fear rockt die Bühne. © Patryk Witt
Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Frage, ob wir je Zufriedenheit finden können – mit dem, was wir sind, und dem, was wir haben. Ein Jahr lang haben sich die Spieler*innen intensiv mit ihren persönlichen Ängsten und deren Verflechtung mit unserem neoliberalen System beschäftigt. Sie untersuchen, wie Angst uns nicht nur schützt, sondern auch wirtschaftlich verwertet wird – als Antrieb für Leistung, Konsum und Selbstoptimierung.
Angst kann überall hin, überall rein und über alles hinweg. Sie ist in mir, in dir, im System, in dem wir leben. Evolutionsbiologisch ist Angst überlebenswichtig. Ohne Angst kein Überleben. Sie warnt uns vor Gefahren und bringt uns in Bewegung. Auch für unser System ist unsere Angst überlebenswichtig: Wir leisten, verdienen, bauen auf, sichern ab. Wir messen, vergleichen, kaufen und konsumieren. Das weiß auch die Marktwirtschaft.
Ein ganzes Jahr lang haben wir uns mit unseren Ängsten beschäftigt. Das Internet hat uns viele Angebote gemacht, um weniger Angst zu haben – weniger Angst, allein zu sein, weniger Angst, nicht schlau genug, schön genug, gut genug, normal genug zu sein.
Aber das kostet alles Geld, und wir wissen nicht, ob wir jemals genug Geld haben werden.
In einer einjährigen Probenzeit wurde „Project Fear“ mit dem Jugendensemble 24 der Jugendtheaterwerkstatt (jtw) Spandau entwickelt. Jeweils einmal die Woche und an intensiven Wochenenden setzten sich die Spieler*innen mit ihren Ängsten im Zusammenhang mit unserem neoliberalen System auseinander.
Jurykommentar
Wer Angst hat, sollte sich „Project Fear“ unbedingt anschauen.
Wer keine Angst hat, sollte sich „Project Fear“ auch unbedingt anschauen.
Wer irgendwo dazwischen liegt… bitte unbedingt anschauen.
Es wird euch allen guttun.
In diesem 50-minütigen Stück gehen wir zusammen mit den Spielenden durch eine emotionale Achterbahn. Wir lachen, wir weinen, wir schreien, naja, in uns hinein, denn es wäre ungewöhnlich, aus dem Zuschauer*innenraum herauszuschreien – obwohl das Bedürfnis da ist. Die Spielenden packen uns mit ihrer großen Energie, ihrem Selbstbewusstsein und ihrem scharfen Fokus.
Wir kriegen Angst, wenn wir Sätze hören wie:
„Wir haben Angst davor, wie die Welt einmal sein wird.
Wir wissen nicht, wie wir einmal leben werden.
Oder sollen oder können oder dürfen.
Ob wir zu den Erwachsenen werden können, die wir gerne wären.“
Gleichzeitig wird uns diese Angst genommen. Wir sehen, dass es andere Menschen gibt, die unsere Ängste teilen, dass wir uns ihnen nicht alleine stellen müssen und sollen. 25 Prozent der Menschen haben in ihrem Leben mindestens einmal eine Angsterkrankung. Man könnte sagen, es ist normal, Angst zu haben. Aber was ist normal? Und ist es überhaupt normal, dass wir diese Tatsache als „normal“ bezeichnen?
Evolutionsbiologisch sei Angst überlebenswichtig, sagen die Spieler*innen auf der Bühne.
Na dann. Gegenüber Angst haben wir keine Kampfstrategien, wir sollten sie einfach akzeptieren, umarmen, einen Pakt mit ihr schließen.
Ein altes Sprichwort lautet: „Einen Keil schlägt man mit einem Keil heraus.“
Wenn laute Musik und Geschrei im Unterbewusstsein automatisch Angst auslösen, dann ist es vielleicht eine gute Idee, diese Angst mit einem Punk-Song zu bearbeiten.
Auch wenn „Project Fear“ so viele Highlights hat und auf ganz unterschiedlichen Ebenen mit dem Publikum kommuniziert, möchte ich an dieser Stelle ein Lob aussprechen für den Punk-Song, der uns empowert, der unsere Angst wegtreibt, der uns einlädt mitzusingen, mitzuschreien, unsere Emotionen loszulassen.
Und das tut wirklich gut!
Jelena Bosanac
Azra Alanbay, Rem Hofmeyr, Simge Ibryam Ali, Lale Irmak, Amaru Jarrín, Nicole Maurer, Selina Seyda Oegel, Daria Pushkareva
Olivia Meyer Montero – Regie, Projekt- und Produktionsleitung
Marco Sternsdorf – Musikalische Leitung und Technik
Marcos García Pérez – Bühnenbild und Kostüm
Chris Meinel – Technik
Yannick Papenfuß – Installation und Videomapping Stück
Nico Ehrenteit – Recherche Foto und Video, Videoinstallation
Lada-Polina Heckel – Assistenz Ensemble