Foto: José Tiago Pox

hn. lyonga

Neighbour in Residence 2023

Als erster Neighbour in Residence am Gropius Bau wird sich hn. lyonga mit seinem Programm becoming neighbours der Frage widmen, wie nachbarschaftliche Beziehungen in institutionellen Räumen bestehen können.

becoming neighbours

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Eine Besonderheit des Gropius Bau ist seine Lage. Sie ist ein wichtiger Bezugspunkt für die inhaltliche Ausrichtung des Hauses. Die Öffnung des Hauses für seine verschiedenen Nachbar*innen steht dabei an vorderer Stelle. Wie können wir das Ausstellungshaus als Ort der Gemeinschaft denken? Und welcher Praktiken bedarf es dafür? Das Neighbour in Residence-Programm ist eine Fortführung des seit 2020 bestehenden Austauschs mit interkulturellen, generationenübergreifenden und queeren Nachbarschaftsinitiativen. Ein wichtiger Wegbegleiter in dieser Zeit war der interdisziplinär arbeitende Schriftsteller hn. lyonga. Als erster Neighbour in Residence am Gropius Bau wird er sich in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit seinem Programm becoming neighbours der Frage widmen, wie nachbarschaftliche Beziehungen in institutionellen Räumen bestehen können.

hn. lyonga über sein Programm

Was ist eine Gemeinschaft und wer gehört zu ihr? Wie unterscheidet sich die Gemeinschaft von der Nachbarschaft? Wo beginnt und wo endet die Nachbarschaft? Was treibt ein Ausstellungshaus dazu an, ein*e Nachbar*in zu werden? Welche Bedeutung hat eine Institution wie der Gropius Bau für Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben? Die Bedürfnisse der Nachbarschaft sind wiederkehrend und beständig. Meine Arbeit als Neighbour in Residence wird darin bestehen, Wege zu finden, diese Fragen zu diskutieren.

Das englische Wort „Residence“ bezieht sich für mich auf einen Status, der bestimmt, unter welchen Bedingungen ich mir ein Leben vorstellen kann. Der Status wirkt sich darauf aus, wie ich in der Welt agiere und wirkt über die Dauer eines Aufenthalts hinaus. Damit einher gehen für mich grundlegende Fragen der Existenz, die sich auf uns selbst beziehen: Mit Gewissheit zu leben. Sich zugehörig zu fühlen, zu einem Ort, den man nicht zu verlieren droht.

Als Einwanderer aus Kamerun, der ein Asylverfahren durchlaufen hat, bestimmt die Frage nach dem Wohnsitz (engl. residence) jeden Aspekt des Lebens. Die Idee eines sicheren Ortes, an dem ich mich niederlassen kann, begleitete mich, während ich durch mehrere deutsche Städte zog. Ich sehe meinen Aufenthalt am Gropius Bau als eine Gelegenheit, in eine enge Beziehung zu Gemeinschaften zu treten – zuzuhören, zu lernen, gemeinsam zu denken und auf gegenseitige Bedürfnisse einzugehen.

Die Rolle des Neighbour in Residence ist eine, die von Bedürfnissen und Wünschen der Gemeinschaften außerhalb des Gropius Bau bestimmt wird. Für mich bedeutet das, über Formate nachzudenken, die ein Gleichgewicht schaffen, Gespräche über kollektive Vorstellungen zu ermöglichen und Raum zu öffnen für alltägliche Situationen, die unseren Körper und unser Leben prägen.

Ich umgebe mich mit Nachbar*innen, Freund*innen und Netzwerken, mit denen mich der Gedanke verbindet, dass unsere Arbeit von Begegnung, gemeinschaftlicher Beteiligung und Austausch lebt – und Gelegenheiten schafft, im Wir zu denken. Das Miteinander ist, was meine Rolle als Neighbour in Residence ausmacht. Mir geht es darum, mich für die Qualitäten zu öffnen, die sich im Kollektiv finden lassen.

Die Menschen, die ich eingeladen habe, sich mit mir auf diese Aufgabe einzulassen, sind: MarkusPosse, Sonia Hohenbild, Makda Isak, Pauline Jeya Subha, Michael Westrich, Fenja Akinde-Hummel, Hanita Firoozmand, Naima Moiasse Maungue, Andrea-VickyAmankwaa-BiragoCharlotteMüller, das FieldNarratives Collective (is SasciaBailerLeneMarkusen, Andreas Doepke, hn.lyonga), die BlackStudent Union der Humboldt-Universität zu Berlin und BauhütteKreuzberg e.V.. Auch sie sind Nachbar*innen, Mitglieder von Gemeinschaften und Kulturschaffende, die sich der Frage widmen, wie wir ein gemeinsames dekoloniales Denken entwickeln können.

Ich organisiere mich in der Gemeinschaft und setze mich für die Entstehung und Förderung neuer, alternativer Räume ein, da mir bewusst ist, dass es den Ort, an den ich passe, erst geben wird, wenn ich ihn selbst schaffe. Geboren und aufgewachsen in der Kultur der Bakweri im Südwesten Kameruns, habe ich gelernt, dass eine Geschichte sowohl ein Ort als auch eine Praxis ist, die sich ständig weiterentwickelt. Dieses Prinzip prägt meine Art, mich in der Welt zu bewegen, und ist das, was mich zu dieser neuen Aufgabe am Gropius Bau geführt hat.

Ich lebe und arbeite in Berlin. Ich habe an anderen Orten gelebt, die in meinem Körper, meinen Texten, meinem Leben in der Diaspora und in den Frauen, mit denen ich aufgewachsen bin, präsent sind. Ich arbeite an der Schnittstelle von postkolonialer Literatur, Critical Race Theory und sozialer Transformation. Das Erzählen von Geschichten als bewusster Akt der Welterzeugung ist ebenso wie die Erforschung von Vorstellungen über „migrierende Traditionen“ in meiner Praxis verwurzelt.

Neben vielen anderen Dingen bin ich Nachbar, lebenslanger Student, Gründungsmitglied der Black Student Union an der Humboldt Universität zu Berlin, Mitglied des Kuratoriums von BARAZANI.berlin – Forum Kolonialismus und Widerstand und Mitglied des Field Narratives Collective, das sich mit Ideen von ländlichen Biografien, transgenerationalen und kontinentübergreifenden Storytelling Konzepten beschäftigt. Meine Arbeit bezeichne ich als Wake Work, weil sie im Raum der Widersprüche rund um die Schwarze Identität arbeitet.

becoming neighbours

becoming neighbours ist eine Reihe von vier Workshops (Nachbarschaften, Ruhen, Pflanzen, In der Welt sein). Der erste Workshop (Nachbarschaften) ist ein aktiver Versuch, einen Raum für die Abwesenden zu schaffen und sich mit der Durchlässigkeit institutioneller Räume zu befassen. Der zweite Workshop (Ruhen) greift die Möglichkeiten des Zusammenkommens und des gemeinsamen Ausruhens als Akt des Widerstands auf. Der dritte Workshop (Pflanzen) nimmt Bezug auf Praktiken der Landwirtschaft und des Pflanzens, wodurch Nachbarschaften als Lebensräume betrachtet werden, in die wir uns hineingeben. Der letzte Workshop (In der Welt sein) befasst sich mit der zeremoniellen Tradition des Schreibens als ein Ritual, das üblich und entscheidend für das Festhalten von Erzählungen ist, die in einer Nachbarschaft existieren.

Das Programm findet in den kostenlos zugänglichen Bereichen (Gropius Hain, Lichthof, Resonanzraum) des Gropius Bau statt.