Kerstin Brätsch, Foto: Andrea Rossetti
Das fast 20-jährige künstlerische Schaffen von Kerstin Brätsch lässt sich als ein pulsierender Kreislauf begreifen: Ihre Ideen und Bildmotive wandern von einem Material in das nächste und werden so kontinuierlich weiterentwickelt. Immer im Fokus steht dabei ihr Wunsch, die konventionellen Vorstellungen, was Malerei ist, ins Wanken zu bringen: Sie arbeitet mit befreundeten Künstler*innen und hinterfragt damit die Idee von der „einen“ Handschrift. Mit Kunsthandwerker*innen untersucht sie die Möglichkeit, ihre Arbeiten in neue Materialien und Techniken zu übersetzen. In diesem Prozess entstehen Ölmalereien, Glasarbeiten, Marmorierungen, Stuckmarmorobjekte, Installationen, Performances, Videoarbeiten und computergenerierte Darstellungen. Sie alle verbindet, dass sie die Flüchtigkeit malerischer Gesten in unterschiedliche Zustände überführen.
Kerstin Brätsch betrachtet sich in diesen Projekten als eine von vielen Handelnden, die gemeinsam eine Art „Körper“ formen. Dabei fallen soziale Aspekte der Zusammenarbeit mit den materiellen Qualitäten des Kunstwerks zusammen. Doch es geht auch um die metaphysischen Aspekte von Kunst als Medium, das über die menschliche Erfahrungswelt hinausreicht: Zunehmend spielen für die Künstlerin natürliche Elemente wie Wasser, Feuer, Licht und (Jahres-)Zeiten im Herstellungsprozess eine Rolle. Diese planetare und geologische Dimension beeinflusst als übergeordnete Gesetzmäßigkeit ihre Arbeitsweise; so wirkt beispielsweise die Witterung auf die Wahrnehmung und Erscheinung von Arbeiten im Außenraum ein.
Seit einigen Jahren erweitert Kerstin Brätsch auch die Kontexte für die Präsentation ihrer Arbeiten. In ortsgebundenen Installationen hat sie das klassische Format des Ausstellungsraums verlassen. Ihre als Café nutzbaren Werke Fossil Psychics for Christa (2019) im MoMA (New York) und MIMIKRY (2022) im Fridericianum (Kassel) sowie MEMORY (2021) im Café du Parc des LUMA Arles bringen ihre künstlerische Arbeit und alltägliche Bedürfnisse des Lebens zusammen. Auch in ihrem Projekt am Gropius Bau setzt Kerstin Brätsch den Fokus auf Austausch und Begegnungen, nicht auf das statische Ausstellen von Kunst.
Kerstin Brätsch, MIMIKRY, Installationsansicht, Fridericianum Kassel, 2023 © Fridericianum Kassel, Foto: Nicolas Wefers
Der von ihr gestaltete, mehrräumige Spielort BAUBAU ist eine Umgebung für das freie Spiel von Kindern, die im September 2024 in einer Prototypversion eröffnet. Als grundlegende Methode, sich mit der Welt und anderen Menschen auseinanderzusetzen, nimmt das freie Spiel hier eine zentrale Rolle ein. Die Fantasie und Kreativität der jungen Besucher*innen trifft dabei auf Kerstin Brätschs künstlerische Arbeiten. Mit Wandtapeten voller Dinosaurier, fantastischer Wesen, Termitenhügel und abstrakter Elemente, Objekten sowie einer Reihe von „Loose Parts“ (losen Materialien) hat sie eine Bühne für die unterschiedlichen Aktivitäten der Kinder geschaffen. Inspiriert von Abenteuerspielplätzen und begleitet durch Playworker*innen – Mitarbeiter*innen mit Fokus auf das freie Spiel – sind die Regeln, die sonst an Kunstorten gelten, hier außer Kraft gesetzt. Die Kinder sind dazu eingeladen, die Räume und vorhandenen Gegenstände ganz nach ihren Wünschen zu nutzen und umzugestalten. Sie geben die Richtung und die Form vor für das, was hier passiert. So wird der Spielort zu einer grundlegenden Erweiterung des Schaffens von Kerstin Brätsch – eine Umgebung, in dem einem jungen Publikum mehr erlaubt sein wird als verboten.
Play Day © Gropius Bau, Foto: Guannan Li