Foto Ayumi Paul: Debora Mittelstaedt, Foto Gropius Bau: Luca Girardini
Die Künstlerin Ayumi Paul arbeitet seit mehreren Jahren eng mit dem Gropius Bau zusammen. 2024 hat sie eine Soundarbeit entwickelt, die per Lautsprecherdurchsage die abendliche Schließung des Hauses ankündigt: Auf ausgelassenes Kinderlachen folgen Abschiedsgrüße auf verschiedenen Sprachen, die derzeit von den Mitarbeitenden des Gropius Bau gesprochen werden. Der Titel der Arbeit – Matane またね – bedeutet etwa „Auf Wiedersehen“ auf Japanisch. Die Soundarbeit wird täglich 30 Minuten vor Schließung abgespielt und gleichzeitig auf Bildschirmen im Haus auf Gebärden- und Internationale Zeichensprache übersetzt.
„Jenseits ihrer eigentlichen Bedeutung sind Worte Klang, und Klang transportiert Absichten, Inhalte und Bedeutungen.
Als ich gebeten wurde, eine Soundarbeit für den Moment des Abschieds von den Besucher*innen des Gropius Bau zu entwickeln, musste die Frage der Sprache – ein Thema, dem ich mich in meiner Forschung und meinen Gedanken seit Jahrzehnten widme – plötzlich konkret formuliert und in wenige nützliche Sekunden umgewandelt werden
Zu welchem Klang kann sich jeder Mensch in Beziehung setzen? Ein Klang, an den wir uns mit all unseren Sinnen erinnern können – auch wenn er vielen Erwachsenen abhanden gekommen ist. Stellt euch alle Lebewesen und Dinge als Werkzeugkästen von Klängen und Schwingungen vor, als riesige innere Instrumente. Die gleichen Klänge, die gleichen Wellen, verstärken sich gegenseitig. Ich betrachte dieses Phänomen als Zusammanspiel von Feldern. In der Physik nennt man das Sympathische Resonanz. Wenn Kinder lachen, beginnt die Saite in uns zu schwingen, die mit unserem inneren Kind verbunden ist – und zwar im Einklang mit dem, was wir hören oder fühlen.
Je mutiger wir uns diesem Klang öffnen, desto deutlicher wird er. Es entsteht ein Feld. Wie wollen wir nun innerhalb dieses Feldes leben? Wie wollen wir uns gegenseitig behandeln? Und wie uns selbst? Wie fühlen wir uns? Was ist wichtig und was nicht?
In dem Märchen Des Kaisers neue Kleider entlarvt das spontane Lachen der Kinder die Illusion, die Kleider des Herrschers könnten nur von klugen Menschen gesehen werden. Für Kinderlachen sollte immer Platz sein. Wenn Kinder nicht lachen können, wenn die kindliche Saite in uns nicht schwingt, muss sich etwas ändern. Ein Linguist sagte mir einmal, es sei denkbar, dass das Lachen eine der Grundlagen für die Entwicklung der wortbasierten Sprache gewesen sei. Das leuchtete mir ein. Ein Lachen kann wie ein Händedruck oder eine Verbeugung sein – ein Zeichen dafür, dass wir uns einig sind, einander nicht zu verletzen. Ausgehend davon finden wir Wege der Kommunikation.
Was ist der Anfang der Sprache? Was wollen wir von der Sprache? Es gibt eine Sprache des Herzens, den Klang hinter den Worten. Das ist die universelle Sprache. Sie kann in alle Worte übersetzt werden, in Handbewegungen und sogar in Stille. Denn die Absicht des Herzens bewegt die Luft, und diese wird von unserem gesamten Umfeld wahrgenommen.
In den wenigen Sekunden, die zum Abschied im Gropius Bau erklingen werden, steckt viel von dieser Sprache des Herzens. Die Stimmen, die zum Ende des Abschiedsklangs verwoben werden, können sich im Laufe der Zeit verändern, neue kommen hinzu, vergessene Sprachen werden erinnert – und neue Worte erfunden.“
— Ayumi Paul, August 2024