Die Performing Arts Season der Berliner Festspiele wird fortgeführt: Während der Herbst- und Wintermonate präsentiert sie seit 2023 ein Panorama herausragender internationaler Produktionen aus Tanz, Theater und Performance im Haus der Berliner Festspiele und im Gropius Bau. Einige der gezeigten Aufführungen werden von den Berliner Festspielen koproduziert oder eigens in Berlin produziert. Kurator der Performing Arts Season ist Yusuke Hashimoto.
Die zweite Ausgabe der Reihe beschäftigt sich von Oktober 2024 bis Januar 2025 schwerpunktmäßig mit Fragen von Erinnerung und Überlieferung in der zeitgenössischen darstellenden Kunst. Ein Fokus liegt dabei auf der New Yorker Tanz- und Performanceszene.
Zur Eröffnung der Performing Arts Season 2024/25 kehrt Taylor Mac mit der Europapremiere von „Bark of Millions“ im Oktober 2024 nach Berlin zurück. Nach dem großen Erfolg von „24-Decade History of Popular Music“ (2019 Europapremiere bei den Berliner Festspielen) bringt Mac mit einem 20-köpfigen künstlerischen Team eine vierstündige „Rock Opera Meditation of Queerness“ auf die Bühne des Festspielhauses. Das epische Konzertformat präsentiert 55 von Taylor Mac inszenierte und getextete und von Matt Ray komponierte Songs, einen für jedes Jahr seit der ersten Pride Parade in New York 1970, inspiriert von queeren Persönlichkeiten der Weltgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Die schillernden Kostüme wurden von Machine Dazzle im Stil des „Queer Maximalism“ entworfen; Faye Driscoll choreografierte die Show und übernahm die Co-Regie zusammen mit Niegel Smith.
Zwei Avantgarde-Ikonen des legendären New Yorker Judson Dance Theater sind ebenfalls zentraler Teil dieser Performing Arts Season: Lucinda Childs und Trisha Brown. Beide wurden in den 1970er-Jahren erstmals von Nele Hertling nach Berlin geholt, die 2024 den Theaterpreis Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung für ihr Lebenswerk erhält.
Im Dezember 2024 steht eine Produktion von Lucinda Childs auf dem Programm, einer führenden Größe des postmodernen amerikanischen Tanzes. In „Dance“ (1979), ihrer berühmten Zusammenarbeit mit Philip Glass und Sol LeWitt, wird vor allem der Minimalismus ihrer Arbeit deutlich. „Four New Works“ ist derzeit in Entwicklung und besteht aus vier Teilen, darunter ein Solo für Lucinda Childs selbst. Dieser Abend bietet Gelegenheit, die Geschichte eines Körpers und einer Tanzkompanie zu verfolgen.
Im Januar 2025 ist ein Gastspiel der Trisha Brown Dance Company zu sehen. 2023 beauftragte die Kompanie zum ersten Mal nach dem Tod ihrer Gründerin 2017 einen nicht der Gruppe angehörenden Choreografen mit der Entwicklung neuer Werke. Dieser Abend besteht aus drei Teilen: zwei der wichtigsten Choreografien von Trisha Brown selbst – „Glacial Decoy“ (1979) und „Working Title“ (1985) – und die Auftragsarbeit „In the Fall“ (2023) des gefeierten Choreografen Noé Soulier. Die Einbindung neuer Choreograf*innen ermöglichen einen Eindruck, wie die Erinnerungen an einen Körper, die in einer Tanzkompanie bewahrt sind, erneuert werden. „In the Fall“ ist das erste Mal in Deutschland zu sehen.
Die darstellenden Künste haben eine flüchtige Existenz, die mit dem Ende der Aufführung verschwindet. Genau deshalb können sie auf besondere Weise auf Fragen von persönlicher oder kollektiver Erinnerung, Geschichte und Überlieferung reagieren. Davon zeugen auf die eine oder andere Weise auch die weiteren Beiträge zur Performing Arts Season 2024/25: zwei Theaterstücke aus Paris und Berlin – von Philippe Quesne und Thorsten Lensing – und zwei Tanzproduktionen in deutscher Erstaufführung von Anne Teresa De Keersmaeker und Ohad Naharin.
Für die brandneue „Il Cimento dell’Armonia e dell’Inventione“ arbeitet Anne Teresa De Keersmaeker, Belgiens einflussreichste Choreografin im Bereich des zeitgenössischen Tanzes, mit dem bahnbrechenden Choreografen Radouan Mriziga aus Marokko zusammen. Gemeinsam entwickeln sie für Keersmaekers Kompanie Rosas eine neue Arbeit zur Musik der „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi, einem Meisterwerk der Barockmusik, die im Oktober 2024 im Festspielhaus zu sehen sein wird. Anne Teresa De Keersmaekers Ansatz, Musik geometrisch zu lesen und in Tanz umzusetzen, bildet sich hier als Ode an die Natur ab. Zudem geben beide Choreograf*innen ihrer Sorge um die sich wandelnde und zunehmend problematische Beziehung des Menschen zu seiner natürlichen Umgebung Ausdruck.
Nach 16 Jahren kehrt die Batsheva Dance Company mit einer neuen Choreografie von Ohad Naharin im Januar 2025 zurück ins Haus der Berliner Festspiele: „MOMO“ kam Ende vorletzten Jahres in Tel Aviv heraus und thematisiert den ständigen Widerstreit zwischen der archaischen, archetypischen und autonomen menschlichen Erdgebundenheit und dem Streben des modernen Individuums nach Selbstverwirklichung und gesellschaftlicher Vernetzung. Zur Musik u. a. von Laurie Anderson und Philip Glass entfaltet sich auf der Bühne eine gemeinsame Leidenschaft von Trauer und Schönheit.
Im November 2024 finden die beiden Theatergastspiele statt. Zunächst bringt Thorsten Lensing sein jüngstes, selbst geschriebenes Stück „Verrückt nach Trost“ zurück nach Berlin und wechselt dafür von den Sophiensælen auf die Große Bühne des Festspielhauses. Diese Geschichte um Trauer, Erinnerung und die Suche nach dem eigenen Lebensweg wird von vier großartigen Schauspieler*innen in Szene gesetzt: Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi und Devid Striesow.
Mit „Der Garten der Lüste“, der jüngsten Produktion von Philippe Quesne – inspiriert durch Hieronymus Boschs berühmtes Triptychon gleichen Namens –, feiert seine Kompanie Vivarium Studio ihr 20. Jubiläum. Die Aufführung ist ein großformatiges, retro-futuristisches Epos, das uns die Zukunft der Welt irgendwo zwischen mittelalterlichen Tierwelten, Öko-Science-Fiction und modernem Western erahnen lässt.