Inszenierung

Epic Fail

frei nach dem Kassandra-Mythos und anderen Geschichten des Scheiterns

SchauSpielRaum, Junges SchauSpielHaus Hamburg

Acht junge Personen stehen auf der Bühne verteilt. Eine davon sitzt an einem Klavier. Im Vordergrund rezitiert eine Person of Colour einen Text. Das Bühnenbild zeigt einen Vorhang mit Blitzen darauf im Hintergrund und flauschige weiße Wolken darüber. Alle lauschen gebannt dem Vortrag der Person im Vordergrund.

Epic Fail © Sinje Hasheider

Ein Ensemble von jungen Spieler*innen wagt sich in die Welt der griechischen Mythologie vor und stürzt sich auf Momente des Scheiterns, in denen sie die heutige Gesellschaft wiedererkennen. Einer ungewissen Zukunft entgegenblickend, identifizieren sie sich selbst in der Seherin Kassandra, deren Vorausahnungen und Warnungen nicht gehört werden.

Verfügbar bis 28.5.2025 als Videoon Demand in der Mediathek.

Kassandra kann in die Zukunft sehen und warnt vor dem trojanischen Pferd. Doch sie wurde mit einem Fluch belegt, so dass niemand ihren Vorhersagen glaubt. Obwohl sie eine zentrale Figur in den antiken Sagen ist, geht ihre Geschichte in der riesigen Fülle an schicksalhaften Erzählungen über Menschen, Gött*innen und Ungeheuer meist unter. In der griechischen Mythologie werden die Geschichten meist rund um mutige Held*innentaten, siegreiche Kämpfe und abenteuerliche Reisen erzählt. Doch dabei geht es immer auch um die Missgeschicke, Pleiten und Steine auf dem Weg. Der „Epic Fail“ ist also nicht nur feste Größe in Jugendsprache und Internetkultur des 21. Jahrhunderts, sondern auch wichtiger Bestandteil jahrhundertealter Erzähltradition. Das Ensemble von jungen Spieler*innen wagt sich in die Welt der griechischen Mythologie vor und stürzt sich auf Momente des Scheiterns, in denen es die heutige Gesellschaft wiedererkennt. Einer ungewissen Zukunft entgegenblickend, identifizieren sie sich selbst in der Seherin Kassandra, deren Vorausahnungen und Warnungen nicht gehört werden. Wie können sie sich an ihr ein Beispiel nehmen und öffentlich sprechen? Und warum ist es so wichtig, einander Glauben zu schenken? „Epic Fail“ wirft eine einen neuen Blick auf alte Mythen, sucht im Scheitern nach der Selbstermächtigung und lässt junge Menschen zu Erzähler*innen eines neuen Epos werden.

Jurykommentar von Jelena Bosanac

Es donnert. Wir sind nicht sicher. Wie treffen wir die Entscheidung, wo wir stehen sollen? Wohin sollen wir rennen, damit der Blitz uns nicht trifft? Nirgends ist man sicher.
So stürmisch beginnt das Stück „Epic Fail“.
Zwischen Blitzen und Wolken stehen acht junge Menschen, die uns schon am Anfang mit vielen wesentlichen Fragen konfrontieren. In diesem Chaos der Ungewissheit und mit dem Wunsch, der Zukunft nicht hilflos zu begegnen, begeben sich die Protagonist*innen auf eine Reise in die Vergangenheit.

„Kassandra, komm zur Hilfe!“
Wir lachen. Wir möchten, dass die Geschichte nie endet, obwohl wir extreme und gewaltige Dinge erzählt bekommen. Dinge, die heute immer noch passieren und die wir eigentlich längst beendet haben wollten. Aber wir bewegen uns gerade in der griechischen Mythologie und deswegen sind solche Dinge einfacher zu schlucken. Bis die Welt der Mythologie in sich zusammenfällt.
Was jetzt? Jetzt können wir uns nicht mehr verstecken. Nicht hinter dem Mythos, nicht hinter der Geschichte. Jetzt sind wir selbst gefragt, als einzelne Person. Und damit ähneln wir Kassandra, die nicht gehört wird.

„Wie verschafft man sich Gehör und warum ist es so wichtig, einander Glauben zu schenken?“
Im Leben werden wir oft überhört, nicht ernst genommen und haben nicht das Gefühl, wir könnten frei sagen, was uns auf dem Herzen liegt. Indem die anderen weghören, werden wir zum Schweigen gebracht. Wir sehen diese acht Protagonist*innen und wir hören ihnen zu. Weil sie auf der Bühne stehen? Aber wie ist es im wahren Leben? Das Gefühl, nicht gehört zu werden, ist den Darsteller*innen vertraut. Die Bühne scheint also genau der richtige Ort zu sein, um diese Sorgen loszuwerden.

Aber es gibt noch Hoffnung und diese kommt in Form der Musik. Hier wird das Ensemble zu einem Organismus, der als Chor Pop-Songs hervorbringt, die tagelang als Ohrwurm hängen bleiben. In diesem Moment wird das gegenseitige Empowerment spürbar, es überschreitet die Rampe und überträgt sich auf uns im Zuschauerraum. Wir sind eingeladen, Teil dieser Bewegung zu werden. Dort auf der Bühne ermutigen sie sich gegenseitig. Ein starkes Zusammenspiel, eine tapfere Gruppe, eine Gemeinschaft, die durch einen Prozess der Selbsterkenntnis gegangen ist, um nun ganz klar zu sehen, was Kassandra mit ihnen zu tun hat, wie viel Kassandra in ihnen steckt.
Damals hatte Kassandra keine andere Wahl, als zu scheitern, weil sie verflucht war. Aber diese jungen Leute werden laut, glauben an sich, nehmen sich den Raum, um heute das Scheitern zu überwinden.

Kommen wir ihnen zur Hilfe?

Ein großes Lob an dieser Stelle geht an die Spielleitung, die es geschafft hat, diese diverse Gruppe zu einem gemeinsamen Organismus zu formen, in dem die Individuen dennoch sichtbar bleiben.

Von und mit

Deyar Alkalash, Mahta Aminaei, Theresa Boadi, Tara Madelaine Grubac, Amber Hasselbach, Lily Johanna Hinrichs, Dilara Meskine, Emmanuel-René Tomety

 

Yeşim Nela Keim Schaub, Lisa PottstockRegie
Marthe LabesBühne und Kostüme        

Frieder HeptingMusik
Tillmann WulffLicht
Till WiebelDramaturgie
Benjamin Owusu-SekyereTon
Jonathan BiendarraBühnenmeister
Laura BrustTheaterpädagogik und Organisationsleitung    
Helen Isabel MarxRegieassistenz
Yi-Jou ChuangAusstattungsassistenz

Ermöglicht durch die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS.