Konzert
Das Akkordeon genießt im zeitgenössischen Jazz einen immer größeren Stellenwert. Maßgeblichen Anteil an diesem vor wenigen Jahren noch nicht für möglich gehaltenen Trend hat der französische Akkordeonist Richard Galliano.
Er erforschte sein Instrument von allen Seiten, lernte auch Piano und Posaune, was ihn für Klangfarben und Klangvolumen sensibilisierte. Bevor er sich dem Jazz öffnete, suchte er den Dialog mit der menschlichen Stimme. An der Seite von Chansonniers wie Juliette Gréco, Georges Moustaki oder Catherine Ringer lernte er mit winzigen Nuancen ein ungeheures Spektrum an Emotionen abzudecken. Astor Piazzolla führte ihn nicht nur in die Kunst des Tangos ein, sondern inspirierte den Franzosen zu seiner eigenen ‘New Musette’.
Seitdem vermittelt er auf dem Boden des Jazz zwischen vielfältigen Strängen von Vergangenheit und Moderne. Mediterrane Traditionen, imaginäre Folklore, Tango, Musette, Chanson, Manouche- und Varieté-Musik, Swing und zeitgenössischer europäischer Jazz unterschiedlicher Couleur werden bei Galliano zu einem Cocktail gemixt, der zwar leicht anmutet, dessen Wirkung jedoch umso nachhaltiger ist.
Richard Galliano zeichnet auch aus, dass er sich gern in guter musikalischer Gesellschaft aufhält. Wir erinnern an seine Höhenflüge im Duo mit Michel Portal und mit Toots Thielemans 2004 in der Philharmonie. Aktuell ist der kubanische Tastenlöwe Gonzalo Rubalcaba an seiner Seite – French Touch trifft Latin Tinge.
Die schwedische Sängerin Lina Nyberg gilt als eins der best gehüteten Geheimnisse der europäischen Jazzszene. Gleich am Anfang ihrer Laufbahn hatte sie das Glück, bei der schwedischen Tenoristen-Legende Bernt Rosengren zu singen, und kein Geringerer als Esbjörn Svensson spielte in ihrer ersten Band Piano. Mit den Jahren wurde die Schwedin immer selbstbewusster, griff Momente aus Alltag und jazzfremden Regionen auf, um daraus einen Schneeball eigener Idiome zu formen. Die Klangumgebungen für ihre immer reifer klingende Stimme wurden stetig offener, und Kritiker bescheinigen ihr den Mut, sich allen Regeln des Marktes zu widersetzen.
Auf der Bühne umgibt sie sich mit Musikern, die man eher aus avantgardistischen Kontexten kennt, und entwirft kleine Postkarten mit verspielten Schlaglichtern auf Länder und Städte wie Kanada, China, Schweden, Brasilien oder –passend zum Anlass– Berlin. Lina Nyberg improvisiert mit Stimmungen wie andere mit Noten. Eine große Sängerin, die gerade erst anfängt, ihr unglaubliches kreatives Potential auszuschöpfen.
„In den letzten Jahren hat sich Lina Nyberg zu einer der wichtigsten Schwedischen Jazz Sängerinnen und Komponistinnen entwickelt.“
Dave Nathan, All About Jazz
Saxofonist Alan Skidmore hat in den 50 Jahren seiner Bühnenkarriere schon viele musikalische Plätze bevölkert. In den Sechzigern startete er im Bluesrock-Umfeld von John Mayall und Alexis Korner, dann setzte er an der Seite von John Surman in freiere Gefilde über. Als Mitglied der George Gruntz Concert Jazz Band und mit Ali Haurands European Jazz Ensemble spielte er mit nahezu allen namhaften Vertretern des europäischen Jazz. Zwischen Jazzrock, Weltmusik und Straight Ahead Jazz erschloss er sich immer neue Felder. In den Neunzigern wurde es etwas stiller um den umtriebigen Saxofonisten, doch in der Band von Colin Towns brachte er sich wieder in Erinnerung – nicht zuletzt auch beim JazzFest Berlin ’98, um zwei Jahre später mit Amampondo die Trommeln Kapstadts in Berlin erklingen zu lassen.
Fortsetzung folgt:
Nach dem legendären Perkussions-Ensemble Amampondo läutet Alan Skidmore nun Runde zwei ein. Mit Steve Melling am Piano, Colin Towns an Keyboards und Elektronik, Neville Malcolm am Bass, Mike Paxton am Schlagzeug, Ingolf Burkhardt an der Trompete plus den beiden Afrikanern Saidi und Musa an Perkussion und Mikrofon klingt Ubizo beinahe wie eine Big Band. Skidmores Saxofon paart sich hier vortrefflich mit den vielschichtigen und dabei immer eleganten Rhythmen der Südafrikaner. Die eigenen Nummern und traditionelle afrikanische Stücke sorgen für eine Balance zwischen energiereicher Lebensfreude und reflektierenden Momenten, zwischen jazzigen und folkloristischen Färbungen. Wenn Skidmore Jazz-Standards so interpretiert, als wären sie uralte afrikanische Volkslieder, lassen sich die genauen Demarkationslinien zwischen Jazz und afrikanischer Rootsmusik kaum noch orten. Wozu auch, ist doch der Kitt, der beide Komponenten zusammenhält, in erster Linie pure Freude am Klang des Lebens.
Richard Galliano – accordion
Gonzalo Rubalcaba – piano
George Mraz – bass
Clarence Penn – drums
Lina Nyberg – vocals
Mathias Landaeus – Fender Rhodes
Torbjörn Zetterberg – electric bass
Jon Fält – drums, percussion
David Stackenäs – guitar
Alan Skidmore – tenor sax
Ingolf Burkhardt – trumpet, flugelhorn
Colin Towns – keyboards
Steve Melling – piano
Neville Malcolm – bass
Michael Paxton – drums
Musa Mboob – african drums, vocals
Saidi Jumaine – african drums, vocals