Konzert
In Lionel Louekes Laufbahn scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Anfang der Sechziger hob sein Mentor und Entdecker Herbie Hancock auf Blue Note die Grundfesten des Jazz aus den Angeln, heute gehört der junge Gitarrist selbst zu den großen Hoffnungen des Labels. Dabei war der 1973 in Benin geborene Musiker alles andere als ein Senkrechtstarter. Er war bereits 18, als er erstmals die Gitarre seines großen Bruders berühren durfte. Er griff fest zu und ließ nicht mehr los.
Über den Umweg Paris gelangte er ans Berklee College, wo er unter anderem bei John Scofield studierte. 2002 wurde er Mitglied in Terence Blanchards Band, später heuerte ihn Hancock an. Wayne Shorter nennt ihn einen Barden, Hancock vergleicht ihn mit Jaco Pastorius. Die rhythmisch akzentuierte Melodik und der perkussive Anschlag auf seinem Blue Note-Debüt Karibu vereinen Erinnerungen an Afrika und Entdeckungen der Jazzgeschichte von Wes Montgomery bis Joe Pass mit dem urbanen Zeitgeist des modernen Amerika.
Hurrikan Katrina hatte für die USA ähnliche politische Auswirkungen wie der Gau von Tschernobyl einst für die Sowjetunion. Selbst die in der Bush-Ära anfangs erstaunlich leisen Jazz-Musiker fanden plötzlich ihre Stimme wieder. Trompeter Terence Blanchard stammt aus New Orleans. Er durchlief bei Lionel Hampton und Art Blakey verschiedene Stilepochen des Jazz, bevor er Anfang der Neunziger zum Stammkomponisten des Regisseurs Spike Lee wurde (Mo’ Better Blues, Deutschlandpremiere beim JazzFest Berlin ’90) und sich in diesem Kontext auch Idiomen wie Funk und HipHop annäherte. Sein umfassendes Wissen um die dramaturgische Wirkung von Musik entfaltet sich in seiner Komposition A Tale of God’s Will (A Requiem for Katrina) nach seinem Soundtrack zu Lees Katrina-Doku When the Levees Broke.
Der symphonische Zuschnitt des Werks ruft als idealen Partner das Filmorchester Babelsberg auf den Plan. Diese seltene Kooperations-Chance lässt ein hörbares Stück Cinemascope entstehen, das trotz seines düsteren Hintergrunds voller Wärme, Würde und Schönheit ist.
Lionel Loueke – voice & guitar
Massimo Biolcati – bass
Ferenc Nemeth – drums
Terence Blanchard – trumpet
Brice Winston – tenor sax
Fabian Almazan – piano
Michael Olatuja – bass
Kendrick Scott – drums
und
Deutsches Filmorchester Babelsberg
Scott Lawton – conductor