Jazzfest Berlin – São Paulo

Negro Leo – São Paulo Underground – Quartabê – Mariá Portugal – Metá Metá

Das Jazzfest Berlin 2021 fand vom 4. bis 7. November statt.

Pop und folkloristischen Traditionen ebenso wenig abgeneigt wie freier Improvisation und Avantgarde, bewegt sich der kaum kategorisierbare Sound der zeitgenössischen Kreativ-Szene São Paulos häufig ins Experimentelle, Virtuose und Widerspenstige, nimmt mal politische, mal humorvolle Wendungen. Mit ihrem kosmopolitischen, offenen Klima bietet die Stadt nicht nur musikalische Vielfalt, sondern auch fruchtbaren Boden für neue Formatideen.

So schlugen Manoela Wright und Juliano Gentile, Kurator*innen des CHIII – Creative Music Festival und Co-Kurator*innen des Jazzfest Berlin – São Paulo, schon einmal neue Wege ein, als sie im Frühjahr dieses Jahres der verheerenden pandemischen Lage zum Trotz eine Online-Ausgabe ihres Festivals realisierten.

Geeignetere Partner*innen hätte das Jazzfest Berlin kaum finden können – zumal die drastischen Ausmaße der Krise in Brasilien die Möglichkeit eines Live-Beitrags aus São Paulo in Berlin schon früh in weite Ferne rücken ließen.

Im erweiterten kuratorischen Team hat das Jazzfest Berlin nun vier herausragende Vertreter*innen der lokalen Szene beauftragt, etwa zehnminütige audiovisuelle Stücke für eine spezielle Video-Szenografie in der Betonhalle des silent green zu entwickeln. Über vier unabhängige Simultanprojektionen fügt sich zwischen musikalischer Videoinstallation, gefilmter Konzertperformance und räumlich expandiertem Musikvideo auf diese Weise doch noch eine kreative Präsenz der Musiker*innen aus São Paulo in das Berliner Live-Programm ein.

„Wie ganz Brasilien ist auch São Paulo eine Stadt der Kontraste. Die Vermischung von lokaler und internationaler Musikkultur ist in diesem Ausmaß allerdings einzigartig. Mit einer Bevölkerung von über 12 Millionen Einwohner*innen teilt sich São Paulo quasi in mehrere Länder – man könnte auch sagen, in mehrere „Brasiliens“.

Die auffälligsten Merkmale der Musikszene São Paulos kommen aus dem Ausland oder aus anderen Teilen des Landes, im Gegensatz zu Städten wie Rio de Janeiro, Salvador oder Recife, wo es eine starke lokale Tradition gibt. Vielleicht ist dies der Hauptgrund dafür, dass hier ein so experimentierfreudiges Klima herrscht, dessen musikalische Identität von Künstler*innen auf der Grundlage kultureller Vielfalt ständig neu geschaffen wird. Die Vielfalt der Genres und Sprachen brachten Bewegungen wie die so genannte Vanguarda Paulista der 1980er Jahre hervor, die die Grenzen des in der brasilianischen Kultur so verwurzelten Liedformats sprengten. Eine neuere Entwicklung ist die Improvisation, insbesondere die freie Improvisation, die im letzten Jahrzehnt mit neuen Künstler*innen, Festivals, Produzent*innen, Labels, Websites und multidisziplinären Projekten an Bedeutung gewonnen hat.

Die brasilianischen Künstler*innen, die beim Jazzfest Berlin zu erleben sind, bringen Erfahrungen aus verschiedenen musikalischen Bereichen mit und bewegen sich auf diversen künstlerischen Pfaden, die von der traditionellen Popkultur, hauptsächlich afrikanischer oder indigener Herkunft, bis hin zur freien Improvisation reichen.“

Manoela Wright & Juliano Gentile (São Paulo)