Das folgende Programm auf der Großen Bühne springt zwischen Europa und den USA hin und her, wobei das tatsächliche Klangerlebnis weitaus vielschichtiger ausfallen wird, als dieser Dualismus vermuten lässt. Die atemberaubende belgische Pianistin Marlies Debacker, eine Schlüsselfigur der Jazz- und zeitgenössischen Musik-Szene Kölns, eröffnet den Abend mit einem Solokonzert. Im Anschluss präsentiert die schwedische Komponistin und Wahl-Berlinerin Ellen Arkbro die Deutschlandpremiere ihres Kollaborationsprojekts mit dem Pianisten Johan Graden – ein düsterer Zyklus aus Break-Up-Songs, aufgehellt durch schwebende Arrangements und einfühlsame Melodien. Das Finale des Programms auf der Großen Bühne bestreiten die Saxofonist*innen und Komponist*innen Henry Threadgill und Silke Eberhard mit einem großformatigen Auftragswerk des Jazzfest Berlin: eine Kombination von Threadgills Quintett Zooid und Eberhards hoch angesehenem Large Ensemble Potsa Lotsa XL. Threadgill, der zurzeit einmal mehr neue künstlerische Höhepunkte feiert, hat für das Jazzfest Berlin ein Stück in Konzertlänge geschrieben, das diesen seltenen Berlin-Auftritt umso einzigartiger macht.
Auf der Seitenbühne ist die gefeierte amerikanische Free-Jazz-Gruppe Irreversible Entanglements, darunter die Spoken-Word-Künstlerin und Komponistin Camae Ayewa (alias Moor Mother), mit Musik von ihrem neuen Album „Protect Your Light“ zu erleben. Anschließend bringt das Trio Clay Kin von Schlagzeuger Julian Sartorius, Keyboarder Dan Nicholls und Videokünstlerin Lou Zon eine hochgradig interaktive Mischung aus Field Recordings, Elektronik und sich stetig wandelnden Grooves auf die Bühne. Zwei weitere avantgardistische Performances bilden das Late-Night-Programm in der Kassenhalle: Kaja Draksler verbindet mit einer Gruppe von europäischen Improvisationsmusiker*innen in ihrem brandneuen Projekt „matter 100“ abstrakte Klänge mit Text, während die US-amerikanische Free-Jazz-Saxofonistin und Newcomerin Zoh Amba bei ihrem Jazzfest Berlin-Debüt im Trio eine Kostprobe ihres instinktiven und organischen Spiels gibt.
Zeitgleich findet im A-Trane die Deutschlandpremiere der Marthe Lea Band statt, einer der spannendsten neuen Gruppen Norwegens, die Einflüsse aus afrikanischer und skandinavischer Musik zu einem mitreißenden Feuerwerk brillant verarbeitet. Banquet of Consequences, das neue Berliner Sextett des Bassisten Antonio Borghini, bringt im Quasimodo zum krönenden Abschluss des Abends Jazztraditionen aus den Niederlanden, Italien und Südafrika auf einzigartige Weise zusammen.