Szenisches Konzert

Lucia Ronchetti: Der Sonne entgegen

Der Sonne entgegen ist eine dramatische Meditation für 14 Gesangssolisten, Blechblasensemble und Live-Elektronik. Neue und alte Grenzen unserer hyperkommunikativen Welt bilden Hauptthemen und zugleich Ausgangspunkt des Projektes.

Die Intention der italienischen Komponistin Lucia Ronchetti und der Dramaturgen besteht in der Schaffung eines Musiktheaters, das den traditionellen Gedanken von Solisten und Hauptcharakteren verwirft zu Gunsten einer sich verwandelnden und fluktuierenden Gemeinschaft, aus der einzelne Personen auftauchen und wieder verschwinden.

Die Dramaturgie folgt den vielfachen Transformationen der 14 Darsteller in fragmentierten, assoziativ verbundenen und dramatischen Situationen. Sie treten als Europäer auf, die einen scheinbar paradiesischen Urlaub auf einer exotischen Insel genießen, als Flüchtlinge, die sich in wüstenähnlicher Umgebung einer unüberwindlichen Barriere gegenübersehen, als Staatenlose oder Überlebende in der Ersten Welt, und schließlich als unbekannte Intellektuelle, die in komplexe Diskussionen über Gebietsverlust und Migration vertieft sind. Eine junge Eiskunstläuferin, die durch den polierten Raum und über Grenzen hinweg gleitet, ein Chor der Toten, der an der Grenze stehend die unumschränkte Macht von Zeit erörtert, und ein Eisberg, der von seiner grenzenlosen antarktischen Heimat spricht, sind Außenseitergestalten, externe Beobachter.

Alle Mitglieder des Ensembles sind sowohl Sänger als auch Schauspieler. Sie agieren als eine Art Perkussionsorchester, indem sie all ihre Klänge mit ihren Stimmen, ihren Körpern und einfachen Requisiten erzeugen und die Bühne selbst als eine riesige Trommel benutzen. Über weite Strecken des Stückes gibt es kein Klangzuspiel; lediglich das schlichte und bisweilen zerbrechliche a cappella der Darsteller.

Am Ende des Werkes gestaltet das Blechblasensemble ein metahistorisches Ereignis, das an die Sintflut erinnert; eine Neufassung dieser biblischen Geschichte, in der alles zu komplex, zu schwach verbunden erscheint, um jemals entschlüsselt werden zu können. Diese Regenflut reißt Darsteller, Musiker und Publikum mit sich fort.

Lucia Ronchetti
Der Sonne entgegen
Szenisches Konzert für 14 Stimmen, Blechblasensemble und Live-Elektronik (2007, rev. 2009) UA der Neufassung

Steffi HenselText

Kammerensemble Neue Musik Berlin
Katia Guedes / Andrea Chudak / Ruth Rosenfeld / Estelle Lefort / Anna Charim / Regina Jakobi / Kyoung-Ran Won / Claudia van Hasselt / Volker Nietzke / Eloi Prat i Morgades / Florian Just / Martin Gerke / Simon Robinson / Andreas FischerVokalsolisten
Timo KreuserMusikalische Leitung und Einstudierung

Michael von zur MühlenSzenische Einrichtung
Elisabetta BenassiVideo
Lothar BaumgarteRaum/Licht
Svenja GassenKostüme
Barbara GstaltmayrProduktionsdramaturgie
Thomas SeeligKlangregie/Live-Elektronik

Eine Autorenproduktion in Zusammenarbeit mit MaerzMusik | Berliner Festspiele und Sophiensaele, gefördert durch Hauptstadtkulturfonds, Kunststiftung NRW, NRW KULTURsekretariat/Fonds Experimentelles Musiktheater, Deutscher Musikrat, Initiative Neue Musik Berlin, Berliner Künstlerprogramm des DAAD und Istituto Italiano di Cultura Berlino
Auftragswerk Fonds Experimentelles Musiktheater
UA Gelsenkirchen, 12.5.2007