Writer in Residence
Visual: Luis Kürschner, mit freundlicher Unterstützung von Studio Linné
Das erste Programm des Gropius Bau zum Thema Künstliche Intelligenz (KI), das sowohl online als auch offline stattfand, konzentrierte sich auf die utopischen und poetischen Möglichkeiten von KI. Ab Juni 2023 begann mit Ether’s Bloom der erste Teil des Programms mit einer Reihe neuer Projekte. Dazu gehörten ein*e Writer in Residence, künstlerische Auseinandersetzungen mit KI, ein Podcast, Vorträge und Gespräche. Den zweiten Teil des Programms bildete die Entwicklung der KI-basierten App Gropius Bau Prisma mit besonderem Schwerpunkt auf Barrierefreiheit.
Zugänglicher werden – mithilfe von Künstlicher Intelligenz: Die neue KI-basierte App Gropius Bau Prisma ermöglicht es, Texte in den Ausstellungen in über 36 Sprachen zu übersetzen, als Audio abzuspielen, Fragen zu den gezeigten Arbeiten zu stellen und sich während Veranstaltungen Untertitel in verschiedenen Sprachen anzeigen zu lassen.
Gropius Bau Prisma wurde im Rahmen des Programms zu Künstlicher Intelligenz, das im Juni 2023 am Gropius Bau begann, in Zusammenarbeit mit der Agentur NEEEU entwickelt. Sie nutzt die aktuellen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, um den Gropius Bau zugänglicher zu machen und insbesondere Barrieren im Zusammenhang mit Sprache abzubauen.
Eine Besonderheit der App liegt in der Möglichkeit, aus verschiedenen Stilen zu wählen, in denen Prisma kommuniziert – sachlich, spielerisch oder leicht. Zwei weitere Stile wurden von Künstler*innen entwickelt: Patricia Domínguez, deren Arbeiten ökologische Mythenbildung, Beziehungen von Menschen, anderen Intelligenzen und Maschinen während der Digitalisierung des Lebens im Spätkapitalismus erforschen, war 2023 Teil der künstlerischen Präsentation Ether‘s Bloom im Gropius Bau. Sie ging der Frage nach, wie sich KI mit einer planetarischen Perspektive verbinden lässt. Ayumi Paul war 2022 Artist in Residence im Gropius Bau. Sie denkt die KI als modernes Orakel und untersucht, wie diese mit menschlichen Sinnen umgeht.
Foto: Zehan Bao © NEEEU Spaces GmbH
Der Titel Ether’s Bloom ist inspiriert von Writer in Residence K Allado-McDowell. Aktuelle KI-Modelle neigen dazu, zu halluzinieren und Antworten zu geben, anstatt Fragen zu formulieren, obwohl Fragen und Spekulationen für die kreative Arbeit und den Diskurs von zentraler Bedeutung sind. Ether’s Bloom konzentrierte sich auf künstlerische Entwürfe und Spekulationen zu KI in enger Zusammenarbeit mit Künstler*innen, Autor*innen und Wissenschaftler*innen. Neben einem umfassenden Veranstaltunsprogramm entstanden im Rahmen von Ether’s Bloom ein Residency-Format sowie der Podcast Beyond and Within: AI Talks.
Ether’s Bloom: Ein Programm zu Künstlicher Intelligenz, Elisa Giardina Papa, Installationsansicht, Gropius Bau (2023)
Foto: Luca Girardini
Elisa Giardina Papas Video-Trilogie wurde im Rahmen von Ether’s Bloom zum ersten Mal zusammen gezeigt. Sie untersucht, wie Kl und digitale Ökonomien Praktiken von Arbeit und Fürsorge verändern.
Die Videoinstallation Technologies of Care (2016) versammelt Geschichten von Freiberufler*innen, die online Care-Arbeit leisten. Sie befragt die komplexen Beziehungen zwischen Arbeit, Gender und den ethischen Herausforderungen, mit denen Online Arbeiter*innen oft konfrontiert sind. Mithilfe anonymisierter digitaler Bilder gewährt das Video einen Einblick in das Leben derer, die die Wirtschaft der On-Demand Pflege aufrechterhalten.
Cleaning Emotional Data (2020) vertieft diese Beschaftigung und nimmt neu entstehende Formen der KI-Mikroarbeit in den Blick. Für diese Videoinstallation „putzte“ Giardina Papa für mehrere Unternehmen Daten, die später zum Trainieren von Algorithmen zur Erkennung von Gefühlen verwendet wurden. Zu Giardina Papas Aufgaben gehörte die Kategorisierung menschlicher Emotionen, die Kennzeichnung von Gesichtsausdrücken und die Aufnahme ihres eigenen Gesichts für die Animation dreidimensionaler Avatare. Die Videoinstallation dokumentiert ihre Tätigkeit und zeigt gleichzeitig die Vorurteile auf, die sowohl in historischen als auch in aktuellen Technologien zur Kategorisierung menschlicher Ausdrucksformen bestehen.
Mimi Ọnụọhas Arbeiten thematisieren, wie das kulturelle Verständnis von Wissen und Unterschieden, die von historischen und kolonialen Begegnungen geprägt wurden, in Technologien gespeichert sind. Die Künstlerin verweist auf die Widersprüche, die in der Vorstellung vom technologischen „Fortschritt“ liegen und fragt nach einem umfassenderen Verständnis von Technologie, das die Traditionen und Werte derjenigen mit einbezieht, deren Geschichten im Namen des Fortschritts ausgelöscht wurden.
Der Kurzfilm These Networks in Our Skin (2021) zeigt Menschen, die die Kabel und Geräte des Internets benutzen, um ihre eigenen traditionellen Erzählungen zurückzufordern. Das Werk arbeitet mit suggestiven Bildern und Klängen und ist von der Kosmologie der Igbo inspiriert. In einigen Igbo-Traditionen greift Ala, die Göttin der Erde und der Unterwelt, in menschliche Aktivitäten ein und wird mit Kunstwerken und Geschenken beschworen. Die Frauen in Ọnụọhas Film adaptieren Igbo- und andere Kosmologien für die digitalen Infrastrukturen, die uns umgeben. Indem sie die materiellen Realitäten des Internets neu verbinden und verweben, gestalten sie das Netzwerk so um, dass es ihre eigene Präsenz und kulturellen Überzeugungen und Werte widerspiegelt.
Für die Installation The Cloth in the Cable (2022) füllt Ọnụọha Kabel mit Gewürzen, Stoffen, Staub, Yellow-Madras-Curry-Pfeffer, geräuchertem Paprika, gemahlener Kalebassenmuskatnuss und anderen Materialien und lädt sie so mit neuen Bedeutungen auf. Die Arbeit erweitert die Geschichte des Internets und versinnbildlicht seine Macht über Räume und Geschichten. Für die im Gropius Bau ausgestellte Version lud Ọnụọha hn. lyonga ein, ein in Berlin lebender Schriftsteller, Dichter und Community-Organisator und Neighbour in Residence 2023 am Gropius Bau, um die Arbeit mit einer ortsspezifischen Beigabe aus Besenfasern zu erweitern.
Ọnụọha verweist auf die Auslassungen und Leerstellen, die durch Computer- und Dateninfrastrukturen entstehen – auf das, was ausgeblendet und unsichtbar wird. Ihre Arbeit korrigiert diese „algorithmische Gewalt“ (Mimi Ọnụọha) und damit die ausschließenden und unterdrückenden Tendenzen der Technologie, indem sie neue Räume der Fürsorge, Teilhabe und Verbundenheit schafft.
Ether’s Bloom: Ein Programm zu Künstlicher Intelligenz, Mimi Ọnụọha, Installationsansicht, Gropius Bau (2023)
Foto: Luca Girardini
Ether’s Bloom: Ein Programm zu Künstlicher Intelligenz, kennedy+swan, Installationsansicht, Gropius Bau (2023)
Foto: Luca Girardini
In der von kennedy+swan entworfenen Welt wird die Vorherrschaft des Menschen von einem gleichberechtigten Zusammenleben mit Pflanzen und Tieren abgelöst. In seinen Videos, XR-Experiences und 3D-Scans von handgefertigten Modellen beleuchtet das Duo, wie tiefgreifend und produktiv KI-Technologien für diese Beziehungen zwischen Spezies sein können.
Die für den Gropius Bau entwickelte Arbeit Mixed Signals (2023) beschäftigt sich mit der außergewöhnlichen Verbindung von Künstlicher Intelligenz, nicht-menschlichen Kommunikationssystemen und den Menschen, die mit diesen Systemen umgehen. Während KI oft als Symbol für die Entfremdung von der Natur angesehen wird, eröffnen die Aquarelle und Augmented-Reality-Arbeiten von kennedy+swan überraschende Möglichkeiten, um sich auf verschiedene Formen der Intelligenz von Flora und Fauna einzulassen.
So zeigt die Serie unter anderem Roboterbienen, die in echte Bienenstöcke eindringen, den Einsatz von KI zur ldentifizierung der Artenvielfalt in Wäldern oder eine meditierende Kuh, die Erleuchtung erlangt – und damit dominante Annahmen über das Erkenntnisvermögen von Tieren in Frage stellt. kennedy+swan betrachten Natur als ein sich selbst entwickelndes neuronales System – wenn auch eines, das teilweise jenseits des menschlichen Verständnisses existieren mag.
Jedes Aquarell kann mit einer mobilen App gescannt werden, wodurch eine Augmented-Reality-Szene aktiviert wird, die die Erzählung erweitert. Das Projekt ist nicht nur eine einladende und interaktive Visualisierung nicht-menschlicher Intelligenz, sondern zum Teil auch das Ergebnis von KI selbst, da ChatGPT als Partner bei der Programmierung der Mixed Signals App fungierte.
Patricia Domínguez’ Arbeiten erforschen ökologische Mythenbildungen, die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Spezies und die Digitalisierung des Lebens im Spätkapitalismus. Mit ihren Skulpturen, Videos, Publikationen und Bildungsprojekten, die von ihrer Forschung zu Ethnobotanik und Heilpraktiken inspiriert sind, betrachtet Domínguez Kunst als ein Werkzeug der dekolonialen Emanzipation.
Ihre Arbeiten erforschen verschiedene Dimensionen spiritueller und nicht-menschicher Intelligenzen. Das Video Holographic Milk (2021) entstand nach einem Forschungsaufenthalt der Künstlerin am CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung, und dem intensiven Austausch mit chilenischen Heiler*innen. Es nimmt die Zuschauer*innen mit auf eine innere Entdeckungsreise durch Spiritualität, ökologische Prophezeiungen und Quantenphysik. Aufgebaut wie ein meditatives Gebet, beschäftigt sich das Video mit organischer Materie als ein eigenes lnformationssystem.
Madre Drone (2019-2020) basiert auf Erlebnissen der Künstlerin in der Region Chiquitania in Bolivien: In Folge der Brände im Amazonas und den darauf antwortenden Protesten im benachbarten Chile, wurden ganze Lebensräume zerstört und Tiere und Menschen verletzt zurückgelassen; viele Protestierende erblindeten durch die eingesetzte Polizeigewalt. Die Arbeit beschwört eine neue Vision herauf, die Technologie und planetarisches Gedächtnis miteinander verbindet. Durch diesen Einblick in die Sphäre der Pflanzen und Begegnungen mit einer Schlangenfrau, einem blinden Tukan, psychedelischen Kakteen und Anti-Drohnen-Lasern, kann mit Madre Drone eine schamanische Erfahrung inmitten zukunftsweisender, verwobener Welten beobachtet werden. Es ist eine Einladung, über unsere Beziehungen zu Maschinen und Pflanzen nachzudenken und darüber, was wir hiervon über Künstliche lntelligenz lernen können.
Ether’s Bloom: Ein Programm zu Künstlicher Intelligenz, Patricia Domínguez, Installationsansicht, Gropius Bau (2023)
Foto: Luca Girardini
Das Programm zu Künstlicher Intelligenz wurde von Clara Meister geleitet. Gropius Bau Prisma wurde in Zusammenarbeit mit NEEEU entwickelt.
Der Gropius Bau und das Programm zu Künstlicher Intelligenz werden gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Begleitet wurde Ether’s Bloom vom Denken und der Reflexion der Kulturwissenschaftlerin, Forscherin und Autorin Maya Indira Ganesh, die das ganze Jahr mit neuen Inhalten und Veröffentlichungen in verschiedenen Formen präsent war.
Medienpartner: BerlinArt Link, CeeCee, Monopol, StudioLinné
Der Gropius Bau und das Programm Künstliche Intelligenz werden gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.