Blick zurück in die Zukunft afroamerikanischer Musik

Programm 2018

In kaum einer anderen künstlerischen Ausdrucksform gab es ein so extremes Nebeneinander von Unterdrückung, Ausschluss, Erniedrigung und Selbstbefreiung, Empowerment und unabhängiger zukunftsgerichteter kreativer Gestaltung wie im Jazz als originärer Ausdrucksform der afrikanisch-amerikanischen Gemeinschaft.

Ein frühes exemplarisches Beispiel ist das Wirken des Pioniers James Reese Europe (1886–1919), der in Harlem bereits 1910 den Clef Club als Interessensvertretung für afroamerikanische Musiker*innen gründete und im letzten Jahr des 1. Weltkrieges als Musiker und Soldat der Harlem Hellfighters, einem afroamerikanischen Regiment, an der französischen Front zum Einsatz kam. Europe und seine Leute ernteten Bewunderung für ihren Kampfeinsatz in der französischen Armee, und die Regimentskapelle begeisterte die Massen bei zahlreichen Konzerten mit ihrer aufsehenerregenden synkopierten Musik. Ausgehend von dieser Ankunft von Jazz in Europa begibt sich das Jazzfest Berlin auf die Spuren einer emanzipatorischen Geschichtsschreibung afroamerikanischer Musiker*innen und setzt mit einem audiovisuellen Werk Jason Morans über Europe und die Harlem Hellfighters ein Highlight.

Fokuspunkte bilden weiters die Association for the Advancement of Creative Musicians in Chicago (1965) und das Art Ensemble of Chicago (1969) unter Roscoe Mitchell, deren Praxis musikalischer und gesellschaftlicher Selbstermächtigung wegweisend wirkte. Schließlich schwenkt der Blick ein auf Nicole Mitchell, die mit ihrem afrofuturistischen und multikulturellen Werk „Mandorla Awakening II: Emerging Worlds“ das Heute im Licht imaginierter Zukunft inspiziert, und auf Camae Ayewa, die ihre furiose Stimme in der widerständigen Personage Moor Mother und als Streiterin des Kollektivs Black Quantum Futurism in der Gruppe Irreversible Entanglements erhebt. Im magischen Spiegel des Afrofuturismus, imaginierten und realen Begegnungen, Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen, multiplen Zeitlichkeiten wird der gleißende Brennpunkt ‚Gegenwart‘ mit seinen sonischen, narrativen und aktivistischen Fronten und kreativen Herausforderungen ins Visier genommen und in zwei Panels mit den Künstler*innen sowie zwei Filmen vertieft.