Konzert
passage/paysage
Simplonstraße (1914–1918) Wikimedia Commons
Manchmal muss es wohl still werden um Kunst, damit man sie wieder in ihrer Unmittelbarkeit erlebt. Die Werke Anton Weberns waren im Konzertleben der letzten Jahrzehnte sparsam, ja immer sparsamer vertreten, nachdem sie dreißig, vierzig Jahre zuvor noch als Referenzgröße des modernen Bewusstseins galten. Enno Poppe ist selbst Komponist, und als solcher darauf aus, Überliefertes neu zu lesen, besonders das, was zur Geschichte wurde, ohne dabei das Befremdende, sprich: Erneuernde abgelegt zu haben. Die Passage durch Weberns Œuvre beginnt und endet mit Variationen, mit Werken, an denen der Disput über die Ästhetik des Komponisten beispielhaft ausgetragen wurde. Sie führt zu Liedern, zum Gesang, der sich verströmen will, auch wenn er sich kurz fasst; zu den dichten Instrumentalstücken, die auf den erfüllten ästhetischen Augenblick aus sind. Was diese Werke verbindet, was sie trennt, was den Schritt vom einen zum nächsten motiviert, ist Sache der hörenden Erfahrung – vergleichbar mit der Haltung des Flaneurs, der wachen Sinnes durch die (Kunst-)Welt geht.
Den zweiten Teil bildet ein Werk, das als großes Kontinuum erfahren werden will, und doch in dem Bewusstsein komponiert wurde, dass das Kontinuum, das ständige Weitergehen, die Veränderung, also die Diskontinuität verlangt, um wahrgenommen werden und wirken zu können. „Passage heißt Durchgang, alles ist Durchgang, Wahrheit ist nur im und als Übergang zu haben”, meinte Mathias Spahlinger, der Stück und Titel mit einem doppelten Vergleich umriss: mit dem Bild von Schaufenstern in einer Ladenpassage, an denen man immer wieder vorbeikommt, und mit dem Bild einer Landschaft, durch die man wie in Spiralen hindurchgleitet. Für Komponisten wie Enno Poppe repräsentiert „passage/paysage” ein Jahrhundertwerk, das vergleichbar mit dem „Sacre” von Igor Strawinsky Bisheriges außer Kraft setzte.
Anton Webern [1883-1945]
Variationen op. 27 [1936]
Zwei Lieder, op. 8 [1910]
Fünf Stücke, op. 10 [1911/13]
Vier Lieder, op. 13 [1914/18]
Sechs Bagatellen, op. 9 [1911/13]
Drei Orchesterlieder, op. posth. [1913/14]
Variationen, op. 30 [1940/41]
Mathias Spahlinger [*1944]
passage/paysage
für großes Orchester [1988-1990]
Caroline Melzer Sopran
Ueli Wiget Klavier
Ensemble Modern Orchestra
Enno Poppe Leitung
Eine Produktion des Ensemble Modern, der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin und der musica viva des Bayerischen Rundfunks. Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.
Das Ensemble Modern Orchestra setzt sich aus Mitgliedern des Ensemble Modern, Absolventen der Internationalen Ensemble Modern Akademie sowie weiteren Gästen zusammen.
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin