Grußwort

Andrea Zietzschmann

Liebes Publikum,

der Beginn einer neuen Konzertsaison in Berlin ist an sich schon ein besonderer Moment. Das Musikfest Berlin gestaltet diesen Aufbruch jedes Jahr, ohne sich mit dem Zauber des Neuanfangs zu begnügen. Es gibt ihm Profil, es füllt ihn mit Anregungen und unerwarteten Perspektiven. 

Bereichernd ist bereits die Zusammenführung unterschiedlichster Musiker*innen aus Berlin und der ganzen Welt. Das Musikfest Berlin ist ein großes Get-together, das die länderübergreifende, vielgestaltige Kraft und Inspiration der Musik erlebbar macht. Wie wunderbar ist es, wenn hier langjährige Gäste wie das Royal Concertgebouw Orchestra oder das Orchestre de Paris auf Ensembles treffen, die für viele eine Entdeckung sein werden – wie in diesem Jahr das schwedische Norrköping Symphony Orchestra oder das südkoreanische Busan Philharmonic Orchestra. 

Gestaltungskraft entfaltet das Musikfest Berlin vor allem in seinen thematischen Schwerpunkten. Diese ermöglichen nicht nur ungewohnte Begegnungen mit der Musik, sondern mit der Welt insgesamt. Ein zentrales Thema des diesjährigen Festivals könnte aktueller nicht sein. Mit Frankreich steht ein Land im Fokus, dem wir uns derzeit verbunden fühlen wie lange nicht. Nachdem die USA bisherige gemeinsame Werte und das Eintreten für eine freie Welt aufzugeben scheinen, richtet sich unser Blick verstärkt auf unsere unmittelbaren Nachbarn. Die deutsch-französische Freundschaft wächst damit über eine großartige Idee hinaus, sie wird zu einer für Europa existenziellen Notwendigkeit. Umso zwingender ist es, kulturelle Brücken nach Frankreich zu schlagen, wie es das Programm des Musikfest Berlin tut. 

Eine einzigartige Künstlerpersönlichkeit im Austausch zwischen Deutschland und Frankreich war der Komponist und Dirigent Pierre Boulez. Ich freue mich sehr, dass sein 100. Geburtstag in diesem Jahr gemeinsam vom Musikfest Berlin und den Berliner Philharmonikern gefeiert wird. Bei unserem Orchester trat Pierre Boulez erstmals 1961 als Dirigent auf, ab den 1990er-Jahren zählte er zu unseren häufigsten Gästen: charmant im Umgang, entschieden in seinen Ansichten. Dass „Avantgarde“ kein abstraktes Konzept ist, sondern eine Notwendigkeit für ein vitales Kulturleben – das hat niemand so eindrucksvoll und authentisch vorgelebt wie Pierre Boulez. 

Im Programm des Musikfest Berlin würdigen die Berliner Philharmoniker Boulez mit seinem Werk „Rituel – in memoriam Bruno Maderna“, das mit seiner Aufteilung in acht Orchestergruppen die Raumwirkung der Philharmonie Berlin eindrucksvoll zur Geltung bringt. Es dirigiert François-Xavier Roth. Mit der Uraufführung von Ondřej Adámeks „Between Five Columns“ im selben Konzert stellen wir einen Komponisten vor, in dessen Werken sich unterschiedlichste kulturelle Einflüsse zu seinem weltumspannenden Dialog verbinden.

Das zweite Programm der Berliner Philharmoniker beim Musikfest Berlin eröffnet eine weitere deutsch-französische Perspektive. Neben dem spätromantischen Fixstern von Johannes Brahms’ Erster Sinfonie verkörpert Bernd Alois Zimmermanns Oboenkonzert die Suche nach Klangsinnlichkeit in der Nachkriegsmoderne. Pascal Dusapin stellte sich dieser Aufgabe eine Generation später mit seinen „Solos für Orchester“.

Als Stiftung Berliner Philharmoniker ist es für uns eine große Freude, gemeinsam mit den Berliner Festspielen das Musikfest Berlin auszurichten und damit einen Beitrag zur Strahlkraft Berlins als weltweiter Musikmetropole zu leisten. Dem ganzen Team des Musikfest Berlin möchte ich meinen sehr herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit aussprechen. Und Ihnen, liebes Publikum, wünsche ich, dass Sie an diesem Festival mit Begeisterung Anteil nehmen werden.
 

Andrea Zietzschmann
Intendantin der Stiftung Berliner Philharmoniker