Konzert

Time stands still

Ensemble Unidas © Promo

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Was passiert, wenn die Zeit still steht? Oder anders gefragt: Was lässt sich alles denken, wenn die Zeit keine Rolle mehr spielt? Das ist natürlich eine naive Frage, aber für einen Moment sehr verlockend. Dann könnte ein so wunderbar timbriertes Stück wie „Time stands still“ unendlich hin- und herwogen, dann gäbe es kein Gestern, Heute oder Morgen, dann bräuchten wir uns um Zeitsprünge zwischen Renaissance und Gegenwart oder Barock und Romantik keine Gedanken mehr zu machen, dann stünde die von Melancholie gesättigte Musik eines John Dowland (1563-1626) direkt neben Bernhard Ganders (*1969) „Darkness awaits us“, Thomas Campian (1567-1622) neben Burkhard Stangls (*1960) luziden Dowland-Anverwandlungen, Franceco Filideis (*1973) gestische Musik neben „A Fancy by Mr. Dowland“.

Aus einer anderen Perspektive ergibt sich folgendes Bild: Musik braucht ihre Zeit, Musik selbst hat ihre Eigenzeit, und schließlich ist Musik tatsächlich Ausdruck ihrer Zeit. Musik vergeht, Zeit vergeht, Zeit wird gestaucht oder „verschoben“ – nahezu zum Stillstand gebracht. Oder Zeit wird geschichtlich perforiert, wie in Burkhard Stangls Kommentaren zu Dowlands Musik. Aber was geschieht in den Zwischenräumen? Ist die Musik wirklich erst hier, also bei uns Hörern, wenn der erste Ton erklingt? Das Problem eines sich minütlich immer höher auftürmenden Musikgeschichtsarchivs könnte als eine Grundproblematik beschrieben werden, mit der sich jede Komponistin, jeder Komponist heute herumschlagen muss. Nicht immer dringt dieses Problem konstruktiv an die Oberfläche. Wenn dies aber doch geschieht, dann spüren wir, wie sich in die heutige Musik die „Vergangenheit“ ganz “natürlich” einlagern kann, wie ein Kontakt in den Zwischenräumen der Geschichte entsteht, in dem am Ende gar nicht mehr klar ist – und es letztlich auch keine Rolle spielt – ob Peter Jakober John Dowland bearbeitet oder John Dowland eine Vorlage von Peter Jakober zur Inspiration für eine neues Stück heranzieht. Eine Voraussetzung muss bei diesem Gedanken freilich gelten: „time stands still“.

John Dowland (1563-1626)
Mourne, Day is with Darkness fled
What if A Day

Arthur Lavandier
My Naked Lady framed (2013)

Tobias Hume (ca. 1569-1645)
What geater Grief
Loves Farewell

Wolfgang Mitterer
Mourn, Mourn (2013)

John Dowland
A Coy Joy

Bernhard Gander
Darkness awaits us (2013)

Thomas Campian (1567-1620)
All lookes be pale

Francesco Filidei
… And here they do not (2014)

John Dowland
Time stands still

Stephen Goodall (ca. 1650)
Untitled

Burkhard Stangl
Nights (2009)

John Dowland
Me, me, and none but me
Lady Clifton’s Spirit

Peter Jakober
Stehende Zeit (2014)

Burkhard Stangl
With you (2009)

Ensemble Unidas
Theresa Dlouhy, Sopran
Eva Reiter, Viola da Gamba
Christopher Dickie, Laute