Konzert
Kirill Petrenko, Leitung
Hartmann | Strawinsky
Kirill Petrenko dirigiert die Berliner Philharmoniker © Priska Ketterer
Mit der Pariser Uraufführung seiner Ballettmusik „Der Feuervogel“ wurde Strawinsky als 27-Jähriger quasi über Nacht berühmt. Rund 30 Jahre später komponierte Karl Amadeus Hartmann sein hochexpressives „Concerto funebre“, welches wiederum zur Zeit des Nationalsozialismus keine Aussicht auf Aufführung hatte.
Strawinskys oft übergangenes Spätwerk steht im Zentrum des diesjährigen Musikfest Berlin. Die Berliner Philharmoniker halten ihm unter ihrem Chefdirigenten die Kontrastfolie entgegen: die vollständige Ballettmusik „Der Feuervogel“, die ihren Komponisten in jungen Jahren bekannt machte und später berühmt bleiben ließ. Unverwüstlich ist die Anekdote, dass er in den USA als Mr. Firebird angesprochen worden sein soll. Es war Karl Amadeus Hartmann, der in einem Rundfunkbeitrag zu Strawinskys 80. Geburtstag leidenschaftlich für die Zusammenschau und das Zusammendenken beider Schaffensperioden plädierte: „Man vermag die Kühnheiten des jungen Strawinsky ohne Verständnis für seinen Spätstil überhaupt nicht zu würdigen.“
Die beiden Komponisten kannten sich – spätestens seit Hartmann Anfang der 1930er-Jahre als Musikverantwortlicher der Juryfreien Kunstausstellung in München für die Werke des Älteren eintrat. In der Konzertreihe musica viva, die er im Herbst 1945 ins Leben rief und bis zu seinem Tod im Dezember 1963 leitete, war Strawinsky mit der ganzen Bandbreite seines Schaffens vertreten, zum ersten Mal am 7. Juni 1946 mit der „Geschichte vom Soldaten“. Mehrfach war er selbst in München zu Gast. An Hartmann schätzte er dessen Menschlichkeit, Moral und Musik. Als wohl einziger namhafter Komponist konnte der Münchener die viel beschworene Innere Emigration für sich in Anspruch nehmen: Während der NS-Herrschaft wurde kein Werk von ihm in Deutschland aufgeführt. Auch nicht das 1939 geschriebene „Concerto funebre“.
Die höchst expressive Trauermusik für ein Streicherensemble und konzertante Violine enthält aufschlussreiche Anspielungen: an den Hussitenchoral, an Hindemiths Trauermusik für Viola und Streicher von 1936, an Hartmanns eigene Erste Symphonie und sein erstes, „jüdisches“ Streichquartett, an einen Trauermarsch der Arbeiterbewegung im Dialog mit Wendungen und Ornamenten, wie Hartmann sie von jüdischen Musik- und Theatergruppen kannte. Im Panorama der Trauer wird der Opfer der NS-Gewalt gedacht: der überfallenen Tschechoslowakei, der Exilierten, der Arbeiterbewegung und der Opfer der Schoah. Den anspruchsvollen Solopart führt der Komponist in Höhen, in denen auch instrumentales Singen kaum mehr möglich erscheint.
Karl Amadeus Hartmann (1905 – 1963)
Concerto funebre (1939)
für Violine und Streichorchester
Igor Strawinsky (1882 – 1971)
L'Oiseau de feu (Originale Fassung von 1910)
Veranstaltungen der Stiftung Berliner Philharmoniker in Kooperation mit Berliner Festspiele / Musikfest Berlin