Gespräch | 10 Treffen: Herstory Treffen

Struggle for Existence and Solidarity

Herstory Treffen auf Ukrainisch in weißer Schrift auf schwarzem Hintergrund

Das Phänomen der revolutionären und nachrevolutionären Solidarität der kritischen Zivilgesellschaft und die nachhaltige Entwicklung der Freiwilligenbewegung in der Ukraine sind untrennbar mit der Tradition des anti-imperialistischen Freiheitskampfes verbunden, der wiederum auf Diversität, einer Vielzahl an Nationen, Religionen und Kulturen sowie liberalem Feminismus und Zusammenhalt beruht.

Diese Veranstaltung ist Teil des Herstory Treffen.

Bis 31.12.2023 verfügbar als Videoon Demand in der Mediathek

Die Prozesse zur Herausbildung der Zivilgesellschaft für eine moderne Ukraine begannen in den 1990er-Jahren mit der studentisch geprägten Revolution auf Granit und den Protesten der Bergarbeiter, die sich zunächst zur Orangenen Revolution und zehn Jahre später zur Revolution der Würde entwickelten. Sie entfalten sich mit einem in der europäischen Geschichte bisher einzigartigen Tempo täglich weiter. Aber das Leben mit einem aggressiven Nachbarland nimmt der Ukraine das Privileg des Pazifismus. Es ist eine ständige Gratwanderung zwischen einerseits der Forderung nach gleichem Zugang zu Grundrechten, Dekolonisierung, nachhaltiger Entwicklung, einer neuen Vision von Zivilgesellschaft, einer inklusiven Wirtschaft und Wohlstand, und andererseits einem Leben in räumlicher und seelischer Nähe zu Beschuss, systemischer Gewalt und posttraumatischen Folgen. In dieser Ambivalenz kristallisiert sich eine bürgerliche, vertikale Solidarität kontinuierlich heraus, verändert sich über Jahrhunderte und kollidiert mit der Diskussion um den Kampf für die Unabhängigkeit von Kaiserreichen und mit sowohl externer als auch interner Emanzipation. Angesichts der schädlichen Auswirkungen von Militarisierung und der Tatsache, dass das Ansehen mancher Bevölkerungsgruppen weit über dem anderer liegt, und wenn sich Gewalt mit dem Ziel der Auslöschung einer Nation (im politischen Sinne) manifestiert, ist Verteidigung die gebotene Maßnahme.
Heute beginnt die kritisch denkende ukrainische Gesellschaft, eine Perspektive einzunehmen, die die Bedeutung einer pazifistischen, horizontalen Staatsführung für die Gesundung von der Kriegszerstörung, sowohl im materiellen als auch im immateriellen Sinne, zu unterstreichen und die Entwicklung von Institutionen zur Rehabilitation, Rahmenkonzepten zu Menschenrechten usw. zu fordern. Aber der neun Jahre währende Russisch-Ukrainische Krieg hat bewiesen, dass der Wunsch, das Privileg des Pazifismus zu genießen, bedeutet, dem Geschehen tatenlos zuzusehen. Und wir wissen aus der jüngeren Geschichte, dass diese Haltung zum größten Leiden der Menschheit des vergangenen Jahrhunderts führte.

Biografien der Beteiligten:

Kateryna Mishchenko ist Autorin und Herausgeberin und übersetzt aus dem Deutschen. Sie ist Mitbegründerin des ukrainischen Verlags Medusa. Sie war als Dozentin für Literatur an der Nationalen Linguistischen Universität in Kyjiw tätig und arbeitete als Übersetzerin zu den Themenfeldern Menschenrechte und Gesellschaft. Ihre Essays wurden bereits in ukrainischen und internationalen Anthologien, Magazinen und in dem Buch „Ukrainian Night“ veröffentlicht. Sie ist Mitherausgeberin des Bands „Aus dem Nebel des Krieges“, der vom Suhrkamp Verlag veröffentlicht wurde. Derzeit ist sie Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Nina Khyzhna ist eine ukrainische Theaterregisseurin, Performerin und Choreografin. Sie arbeitet an verschiedenen Projekten mit freien ukrainischen Theatern, darunter Teatr NAFTA, Pershui Teatr und Teatr Varta. Sie arbeitete an Theatern in Polen, Österreich und der Slowakei und leitet zudem ein Labor für Performance, Theater und körperorientierte Praktiken. Khyzhna beschäftigt sich mit den Bereichen post-dokumentarisches Theater, Tanztheater und Performance. Ihr Ziel ist es, das Theater als sicheren Raum für Dialog und als soziales Instrument zu nutzen, mithilfe dessen Fragen von Toleranz, Gleichberechtigung und Sicherheit Eingang in den gesellschaftlichen Diskurs finden.

Liuba Ilnytska ist Dramaturgin, Theaterkuratorin und Kritikerin. Sie studierte Theaterwissenschaften an der Nationalen Iwan-Franko-Universität Lviv und ist Kuratorin des Theaterprogramms am Jam Factory Art Center. Liuba Ilnytska ist Dramaturgin der Produktion „Tomorrow at the same Time“ (Lesia Ukrainka Theater, Lwiw, Ukraine, 2023), der Audioperformance „My Friends Listen to War” (Radiokapital, Warschau, Polen, 2023), der Performance „ЛЮТИЙ | FebrUaRY” und Ko-Dramaturgin der Performance „Demo. Rehearsals for the Beginners“ (Jam Factory Art Center, 2021).

Kateryna Stetsevych studierte Literatur- und Sprachwissenschaften an der Universität Czernowitz sowie Osteuropastudien an der Freien Universität Berlin. Sie arbeitete als freiberufliche Kuratorin und Dozentin für internationale Mittlerorganisationen wie u. a. das Goethe-Institut und die GIZ sowie Kulturinstitutionen in Deutschland. Gegenwärtig leitet sie die Projektgruppe Mittel-, Ost- und Südosteuropa in der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.

Kateryna MishchenkoAutorin, Herausgeberin, Übersetzerin
Nina KhyzhnaRegisseurin, Performerin und Choreografin
Liuba IlnytskaDramaturgin, Kritikerin, Kuratorin

Moderation Kateryna StetsevychLeiterin Projektgruppe Mittel-, Ost- und Südosteuropa der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb

Die Veranstaltung wird gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.

Zusätzliche Informationen vom Ukrainischen Institut.