Konzert
Lieder von Ives / Strawinsky / Debussy
Die Sopranistin Anna Prohaska © Marco Borggreve
Charles Ives schrieb bisweilen Lieder, die ohne menschliche Stimme auskommen – so viel Gewese, befand er, machten die Sänger*innen, dass er sie dann durch ein Soloinstrument ersetzte. In den von Anna Prohaska und Pianist Pierre-Laurent Aimard ausgewählten Stücken wird dennoch die Stimme die Hauptrolle spielen. Die Lieder Ives’ beschäftigen sich mit einer vielfältigen Themenpalette, die von Träumen der Kindheit zur Industrialisierung, von Sozialkritik zur Herbstimpression wandert. Gegenübergestellt werden ihnen Lieder von Debussy und Strawinsky.
Charles Ives schrieb 151 Lieder – weit mehr, als in seiner Sammlung „114 Songs“ enthalten sind, die 1922 im Selbstverlag erschien. Viele davon waren ursprünglich „für ein Soloinstrument anstelle der Singstimme gesetzt“, als „Lieder ohne Worte“, weil die Sängerinnen und Sänger „immer so viel Wind um die Intervalle, Taktarten usw. machten“, so Ives. Die stilistische Vielfalt der Stücke ist erstaunlich – vom unverkennbaren Einfluss der europäischen Vorbilder bis hin zu Ragtime und Jazz-Synkopen –, wobei die Palette der zugrundeliegenden Texte von sentimentalen Balladen bis zu hintergründigen philosophischen Reflexionen reicht. Neben hochvirtuosen Klavierparts voller Dissonanzen („Muss ein Lied denn immer ein Lied sein?“, fragt Ives) stehen bisweilen auch einfache Begleitungen, wenngleich auch die vermeintlich konventionell angelegten Lieder in Harmonik, Rhythmus und Artikulation viele Überraschungen bereithalten. Anna Prohaska, bekannt für ihren fast schwerelosen, silberklaren Sopran, widmet sich gemeinsam mit Pierre-Laurent Aimard rund 25 ausgewählten Liedern aus Ives’ „114 Songs“. Thematisch gruppiert werden sie unter anderem Igor Strawinskys volkstümlichen „Vier russischen Liedern“ gegenübergestellt, ebenso wie Claude Debussys „Proses lyriques“, in denen verinnerlichte Miniaturen auf dramatische Szenen à la Wagner treffen. Musikalisch wandeln sich die verhaltenen Farben des Tasteninstruments in ihnen zu einem dichten, quasi-orchestralen Klangstrom – um den in den Texten erwähnten Leidenschaften das nötige klangliche Fundament zu verleihen.
Charles Ives (1874 – 1954)
25 ausgewählte Lieder aus den Sammlungen 114 Songs und Eleven Songs
Igor Strawinsky (1882 – 1971)
Vier russische Lieder (1918/1919)
für Gesang und Klavier
Full Fadom Five (1953)
aus den Three Songs from William Shakespeare
Claude Debussy (1862 – 1918)
Proses lyriques (1892/93)
Anna Prohaska – Sopran
Pierre-Laurent Aimard – Klavier
Eine Veranstaltung der Berliner Festspiele / Musikfest Berlin