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Der Einzige und sein Eigentum

Ein Stück Musiktheater von Sebastian Hartmann und PC Nackt nach Max Stirner

Deutsches Theater Berlin

Premiere 4. September 2022

Sechs Personen tanzen expressiv im Bühnennebel vor einem weißen spiralförmigen Bühnenaufbau.

Trailer © Deutsches Theater Berlin

Um radikalen Egoismus und Verweigerung geht es in den Texten von Max Stirner, die in der Bühnenübersetzung von Sebastian Hartmann, PC Nackt und ihrem Team zu einem soghaften, atmosphärisch dichten Stück Musiktheater werden.

Publikumsgespräch
Montag, 22.5. im Anschluss an die Vorstellung
Moderation: Tobi Müller, teilnehmendes Jurymitglied: Eva Behrendt

Eine sich spiralförmig hochwindende weiße Rampe beherrscht die Bühne. Zu minimalistischen Klängen treten sechs Schauspieler*innen auf, die als Vokalakrobat*innen philosophische Texte von Max Stirner singen, performen, in den Raum stellen. Es geht in diesem Texten um einen radikalen Egoismus und um die Ablehnung jeder Indienstnahme des Ichs durch übergeordnete Instanzen. Also einerseits um die Befreiung von etwas, andererseits aber auch um eine grundsätzliche Asozialität in dieser neuen Freiheit. Eine Mischung aus Leichtigkeit und Schwere, anskizzierten Szenen und musikalischen Höhenflügen, Revue und Gemälde entfaltet sich, ein Gedankenraum von großer Offenheit und assoziativer Kraft.
Sebastian Hartmann interessiert sich in seinen spartenübergreifenden Arbeiten wenig für klassische Elemente der Bühnenerzählung wie Figuren und Konflikte. Sein Anliegen ist es, mithilfe von Bildender Kunst, Musik, Video und dem Performativen Denkräume zu schaffen, die die Eigenständigkeit der Betrachtenden aktivieren. Und so sind die 1844 veröffentlichten Thesen von Max Stirner eher Begleiter als Sujet eines berückend atmosphärischen Abends mit starken Bildern, druckvollen Elektropop-Klangflächen von PC Nackt und Schauspieler*innen, die sich vollkommen auf Form und Erzählweise der Inszenierung einlassen.

Statement der Jury
Vor seinem Erscheinen 1844 wurde Max Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“ erstmal verboten, denn damals Unerhörtes verkündete der Autor, dessen Werk Nietzsche und Marx beeinflussen sollte: Jeder sei sein Eigner; keine Autorität, keine Instanz stehe über ihm. Was einst sozialen Sprengstoff barg, scheint uns heute selbstverständlich, mitunter gar auf die Spitze getrieben. Regisseur und Bühnenbildner Sebastian Hartmann und Komponist PC Nackt haben aus dem fürs Theater sperrigen Stoff eine eigene Form des Musiktheaters destilliert, eine Revue voller seltsamer, schöner, düsterer Wendungen entlang eines sich permanent drehenden Spiralturms. Zu wuchtigen Klangflächen, stacheligen Sounds und tanzbaren Songs assoziieren Hartmann und das sechsköpfige Ensemble verschiedenste Ich-Deutungen und -Gefühle, tragen einen Roboter zu Grabe, verirren sich in einem 3D-animierten Bienenstock. Wie viel Ich brauchen wir, und wie einzigartig ist es? „Der Einzige und sein Eigentum“ meditiert mit überwältigendem Sog über diese Fragen und wirbt dabei als Gesamtkunstwerk unablässig für die Kooperation vieler Ichs.

ZumVideostatement von Jurorin Eva Behrendt in der Berliner Festspiele Mediathek

Programmheft (PDF, 3,5 MB)

Künstlerisches Team

Sebastian HartmannRegie und Bühne
PC NacktKomposition und musikalische Leitung
Adriana Braga PeretzkiKostüme
Tilo BaumgärtelAnimation
Lothar BaumgarteLicht
Ronni MacielChoreografie
Roman KuskowskiVideo
Marcel Braun, Matthias LunowTon
Claus CaesarDramaturgie

Mit

Elias Arens, Felix Goeser, Linda Pöppel, Anja Schneider, Cordelia Wege, Niklas Wetzel
PC NacktTasten
Earl Harvin / Jörg WähnerSchlagwerk
Dorian SorgLive-Kamera