10 bemerkenswerte Inszenierungen
Konzept: Wunderbaum
Text: Walter Bart, Hannah Baumann, Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel
Theaterhaus Jena
Koproduktion mit Wunderbaum
Urauführung: 27. Oktober 2023
Die Hundekot-Attacke © Jakob Roth
Wer berichtet wann und wie über was? „Die Hundekot-Attacke“ begleitet ein Schauspielkollektiv durch die Höhen und Tiefen eines Probenprozesses an einem thüringischen Theaterhaus, das die Mechanismen der Medienwelt effektiv für sich nutzen möchte.
Ein Schauspielkollektiv möchte in der thüringischen Provinz einen Abend gestalten, der überregional möglichst intensiv wahrgenommen wird. Nach längerer Diskussion beschließen sie, einen realen Vorfall als Grundlage für ihre Stückentwicklung zu nehmen: Ein Choreograf hatte 2023 eine Kritikerin mit Hundekot beschmiert, was wochenlang heftig in den Medien thematisiert wurde. Doch die Proben werden zu einer Zerreißprobe für alle Beteiligten.
„Die Hundekot-Attacke“ spielt offensiv mit Echtem und Fiktionalen – im Kollektiv am Theaterhaus Jena entwickelt, könnten die geschilderten Szenen durchaus so oder ähnlich stattgefunden haben. In pseudodokumentarischer Form erzählt, gibt das lustvoll agierende Ensemble einen hochunterhaltsamen, selbstironischen und schlauen Einblick in die Strukturen der Kunst- und Theaterszene.
„A life without criticism is not worth living“, wird gleich zu Beginn Robert F. Kennedy zitiert. Und ja, das ist ein Abend, der den Fäkalien-Angriff in der Staatsoper Hannover im Februar 2023 aufgreift – und damit die Kunst-Kritik-Debatte. Es ist aber auch ein Abend, der erklärtermaßen einen reißerischen Titel gewählt hat, um endlich die überregionale Presse in die thüringische Provinz zu locken – was ihm gelungen ist. Es ist ein Abend über die Machtstrukturen im Theater, den Geniekult, über das „zugleich anziehende und ekelerregende Wort“ Hundekot. Und es ist vor allem ein Abend, der diese Themen und damit den (Theater-)Kunstbetrieb hinterfragt. Der mit Klischees, Fakten und Fiktion spielt, mit Schauspieler*innen-Eitelkeiten, Kritiker*innen-Hoheiten und mutmaßlich Privatem. Selbstironisch, klug, pseudodokumentarisch und in den emotionalen wie demokratischen Achterbahnfahrten eines Kollektivs entstanden. Kurz gesagt: ein charmanter, hinreißender Abend, in dem natürlich ein Dackel eine Rolle spielt, ein Choreograf und eine Kritikerin.
ZumVideostatement von Jurorin Katrin Ullmann über „Die Hundekot-Attacke“
Programmplakat (PDF, 0,2 MB)
Walter Bart (Wunderbaum) – Regie
Maarten van Otterdijk – Bühne
Carolin Pflüger – Kostüme
Hannah Baumann – Dramaturgie
Edoardo Cino – Choreografie
Veit Mernitz – Video
Nanine Maria Kok – Regieassistenz
Anton Conrad – FSJ Kultur/Dramaturgie
Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel & ein Dackel